Atelierfotografien im Archiv für Alltagskultur
Kathrin Schulte
Die 1837 durch den französischen Maler Louis Jacques Mandé Daguerre erfundene Daguerreotypie gilt als Beginn der Fotografie. Zwar wurden zeitgleich auch andere Verfahren mit vergleichbaren Effekten erfunden, die Daguerreotypie setzte sich jedoch durch. Die anfangs mit sechs bis sieben Mecklenburgischen Talern pro Foto (ein genauer Vergleich ist schwierig, eine Internetrecherche ergab 1855 einen Jahreslohn einer Magd in Höhe von 20 – 30 Talern) sehr teuren Aufnahmen waren für einen großen Teil der Bevölkerung kaum bezahlbar. Wer es sich jedoch leisten konnte, der gab vor allem Portraitaufnahmen in Auftrag, stellten diese doch eine Alternative zu Gemälden dar. Die Fotograf*innen (auch Frauen fassten von Beginn an in diesem Berufsfeld Fuß) boten ihre Arbeit vielfach vor Ort (direkt bei den Kunden oder auf Märkten) an. Ab den 1860er Jahren ließen sie sich dann zunehmend in Ateliers nieder. Oft übten sie mehrere Berufe nebeneinander aus, da sie von der Fotografie nicht leben konnten.
In den 1870er Jahren entwickelte sich eine regelrechte Industrie, die Fotoateliers mit Möbeln und Kulissen versorgte und so die zuvor von Kunstmalern gefertigten Atelierhintergründe ablösten. Auch gab es in größeren Ateliers Umkleideräume mit Kostümen, Requisiten und Halterungen, die das Stillstehen erleichterten. Besonders beliebt und durch ihre geringe Größe auch für die Massen erschwinglich waren Portraitfotografien im Visitenkartenformat, von denen 1879 beispielsweise 40 Millionen in Deutschland produziert wurden. Diese Fotos wurden untereinander getauscht, in reich verzierten Alben gesammelt und sie stellten auch beliebte Geschenke dar. Alben mit Fotografien der eigenen Familie, der Freunde und Verwandten und nicht zuletzt auch mit Fotografien der königlichen Familie oder Militärs und Prominenter wurden gern hergezeigt und steigerten das Prestige ihrer Besitzer*innen. Gern wurden die Fotografien auch mit Widmungen wie „Mit freundlichem Gruß“ oder „Prosit Neujahr“ versehen und als Postkarte verschickt.