Christin Fleige
Handmixer, Aquarienpumpe, Feldflasche, Fotoapparat, Seifendose, Massagegerät, Spannungsprüfer – was diese Gegenstände miteinander gemein haben könnten, ist anhand der bloßen Aufzählung kaum ersichtlich. Und doch sind alle Objekte Teil einer Universitätssammlung der WWU, die im Foyerbereich des Gebäudes Fliednerstraße 21 in vier Vitrinen dauerhaft ausgestellt ist. Erst vor Ort offenbart sich aufmerksamen Betrachter*innen – wenn auch womöglich erst auf den zweiten Blick – die Gemeinsamkeit der knapp 200 Gegenstände aus den 1920er bis 1970er Jahren: Es ist das Material, der historische Kunststoff Bakelit, aus dem alle Exponate (mindestens in Teilen) gefertigt sind.
Im Schatten der größeren, öffentlichkeitswirksameren Sammlungen und Museen der WWU, wie dem Archäologischen Museum oder dem Bibelmuseum, scheint die Bakelitsammlung trotz der öffentlichen Präsentation in Vergessenheit geraten zu sein. Sie wird nicht mehr wissenschaftlich betreut und wird von Nutzer*innen des Gebäudes zumeist als kaum beachtenswertes Sammelsurium antiquierter Gegenstände wahrgenommen. Für eine Gruppe von fünf Studierenden im Masterstudiengang Kulturanthropologie/Volkskunde hingegen erwiesen sich die vier angestaubten Vitrinen als spannendes Forschungsobjekt.
Im Sommersemester 2019 begannen die Studierenden im Rahmen des zweisemestrigen Lehrforschungsprojektes „Dinge des Wissens: Die Sammlungen der WWU“ unter der Leitung von Prof. Dr. Lioba Keller-Drescher, sich mit der Geschichte, Bedeutung und heutigen Nutzung von Universitätssammlungen zu beschäftigen. Ziel des praxisorientierten Seminars war es, in einem eigenen Forschungsprojekt eine der mehr als 30 wissenschaftlichen Sammlungen der WWU genauer unter die Lupe zu nehmen. Dank eines Hinweises aus der Zentralen Kustodie, deren Leiter Dr. Eckhard Kluth den Forschungsprozess mit zusätzlicher Expertise unterstützte, fiel die Wahl auf besagte Bakelitsammlung.
Die darin versammelten Exponate sind überwiegend in dunklen Braun- und Rottönen sowie Schwarz gefertigt und erscheinen auf den ersten Blick eher unscheinbar und wenig außergewöhnlich. Tatsächlich jedoch waren viele dieser Objekte vor gut 100 Jahren alles andere als selbstverständlich. Denn das von dem belgisch-US-amerikanischen Chemiker Leo Hendrik Baekeland (1863–1944) entwickelte und 1907 patentierte Bakelit stellte den ersten vollsynthetischen, duroplastischen, d.h. hitzebeständigen, und kostengünstig produzierbaren Kunststoff dar. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten durch den Einsatz dieses neuen Werkstoffes viele Gebrauchsgegenstände erstmals in vielfältigen Formen und in großen Massen industriell hergestellt werden. Schnell hielten Bakelitprodukte in vielen Bereichen des Alltags Einzug und trugen zu einer wahren Kunststoffeuphorie bei.