„Auskehr des Häßlichen“, Teil 2.
Ein Zeitschriftenaufsatz und die ‚Westfalenfahrt der Alten Garde‘
Dorothee Jahnke
1939 wurde in der Zeitschrift Heimat und Reich Gustav Wolfs Aufsatz „Auskehr des Häßlichen, Heimkehr zum Schönen“ veröffentlicht. Dass der Text denselben Titel erhielt wie die Dia-Reihe des Westfälischen Heimatbundes, die heute im Archiv für Alltagskultur in Westfalen verwahrt wird, ist kein Zufall.
Sowohl der Aufsatz als auch die Dia-Reihe sind Teil des Ortsbildpflegeprogrammes, zu dem auch Vortragsskript und Handkarten gehörten. Sie zeigen, dass im Rahmen der „Auskehr des Häßlichen“ gezielt mit unterschiedlichen Medienformaten gearbeitet wurde. Genau wie im Lichtbildervortrag nutzt Wolf auch für den Aufsatz Positiv- und Negativbeispiele sowie ein Vorher-Nachher-Bild. Interessanterweise wurde keins der in Heimat und Reich abgedruckten Bilder in der Dia-Reihe verwendet. Dennoch sind auch diese Abbildungen zum Teil im WHB-Bildarchiv vorhanden, denn Heimat und Reich wurde vom gleichgeschalteten Westfälischen Heimatbund herausgegeben.
Der Aufsatz des Landesbaupflegers Wolf gibt als zeitgenössische Quelle einen wichtigen Hinweis auf den Entstehungskontext der „Auskehr des Häßlichen“:
„Als es im Vorfrühling feststand, daß die Alte Garde des Führers ihre diesjährige Besuchsfahrt durch Westfalen nehmen würde, stellte der Gauleiter die Aufgabe, sie nicht nur mit vergänglichem Festschmuck zu begrüßen, sondern ihr das echte und dauernde Gesicht westfälischen Landes und Volkes zu zeigen. So gab der Landeshauptmann dem Westfälischen Heimatbund die Losung, in einem besonderen Feldzug dieses echte Gesicht von Verunglimpfungen nach Möglichkeit zu befreien“ (Wolf 1939, S. 265).
Wolf bringt in seinem Text die Ursprünge der „Auskehr des Häßlichen“ in direkten Zusammenhang mit einer besonderen Veranstaltung der NSDAP im Jahr 1939: der mehrtägigen „Besuchsfahrt“ der sogenannten ‚Alten Garde‘ im Gau Westfalen-Nord. Zu den ‚Altgardisten‘ oder ‚Alten Kämpfern‘ gehörten unter anderem die Inhaber des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP. 1939 fand die insgesamt dritte NS-‚Gaufahrt‘ statt. Geplant war, jedes Jahr einen anderen Gau des Deutschen Reiches zum Reiseziel zu machen.
Etwa 700 ‚Altgardisten‘ nahmen vom 14.06. bis zum 17.06.1939 an der ‚Westfalenfahrt‘ teil. Sie besuchten unter anderem Bielefeld, Paderborn, Detmold und Münster, entlang einer von der NSDAP vorgegebenen Strecke. In den meisten Ortschaften kam es eher zu einer ‚Westfalen-Durchfahrt‘ der Wagenkolonne, die etwa von Zuschauern oder der Spalier stehenden Hitlerjugend erwartet wurde. Zusätzlich war der WHB mit der Organisation von Veranstaltungen und Volksfesten in einigen Orten betraut worden, um die Bevölkerung in die Parteiveranstaltung einzubinden.
Gustav Wolf weist auf Kritik an den umfangreichen Maßnahmen im Vorfeld der Westfalenfahrt hin. Doch der unverhältnismäßig groß erscheinende Aufwand sei gerechtfertigt gewesen. Denn, so Wolf, „[w]as geschah, galt eben nicht den Gästen an sich, es galt dem durch sie nur sozusagen dargestellten und vertretenen wahren Volkstum, dessen Würde wieder herzustellen ist, es galt dem eigenen Heimatbilde für die Dauer“ (Wolf 1939, S. 265). Wolf argumentiert ganz im Stil der völkischen Heimatschutzbewegung; er macht aus den Ortsbildpflegemaßnahmen eine Rettungsaktion für die Heimat. Die ‚Westfalenfahrt‘ wird von ihm nicht als eigentlicher Grund, sondern eher als Katalysator dargestellt.
Um die Vorgaben zur Ortsbildpflege besser und schneller zu verbreiten als es durch Vortragsabende geschehen konnte, veröffentlichte der WHB ein von Gustav Wolf verfasstes Flugblatt, „das für drei Reichspfennige zwanzig Bilder zum Nachdenken“ (Wolf 1939, S. 266) enthielt. Dieses Flugblatt erschien 1939 in zwei Auflagen und enthielt unter anderem ein Vorwort des Gauleiters Alfred Meyer sowie ein Nachwort des Landeshauptmanns Karl Friedrich Kolbow. Das Vorwort der ersten Auflage wird in Wolfs Aufsatz zitiert; es ist gefüllt mit nationalsozialistischer Rhetorik und völkischer Blut und-Boden-Ideologie. Gauleiter Meyer betont eine „Auskehr in unserem Heimatraum“, eine „Auskehr des Fremden“, gleichzeitig „Einkehr bei uns selber und Heimkehr zum Ziel unserer Sehnsucht“; das sei „die Losung von Staat und Partei für einen Feldzug zur Reinigung des Heimatbildes“ (Wolf 1939, S. 266).