„Der Lehrling muß darthun, daß er lesen, schreiben und rechnen kann"
Eine Bäckerlehre in den 1860er Jahren
Christiane Cantauw
Am 11. Oktober 1863 begann Karl Hüsing seine dreijährige Lehrzeit bei Bäckermeister Oekinghaus in Mülheim a. d. Ruhr. Rechte und Pflichten des Lehrlings und des Lehrherrn regelte der ,,Lehr-Vertrag“, der am 11. Dezember 1863 – nach Ablauf der Probezeit – abgeschlossen wurde. Den Vertrag unterzeichneten der Lehrherr Oekinghaus sowie der damals 15-jährige Karl und sein Vater Eberhard Hüsing.
Im Lehrvertrag war die Dauer der Ausbildung, nämlich drei Jahre und ein Tag, ebenso geregelt wie die Zahlung von monatlich einem Thaler Lehrgeld. Dafür erhielt Karl Hüsing Kost und Logis im Haushalt seines Meisters. Auch seine Wäsche wurde dort besorgt; die Ausstattung mit Kleidung blieb hingegen Sache seines Elternhauses.
Karl Hüsing war vertraglich dazu angehalten, „die ihm zu übertragenden Arbeiten mit Lust und Liebe wahrzunehmen seinem Lehrherrn unbedingten Gehorsam zu leisten und ohne gegründete Ursache die Lehre nicht zu verlassen“. Sein Meister verpflichtete sich im Gegenzug zu einer gründlichen Unterweisung seines Lehrjungen im Bäckerhandwerk und auch dazu, „ihn zum Fleiß auch sittlichen Lebenswandel anzuhalten“. Dies entsprach dem patriarchalen Verhältnis zwischen Lehrherrn und Lehrling. Der Meister trat gewissermaßen an die Stelle des Vaters. Der Lehrling war Teil des Haushalts; sein Verhalten fiel auch auf das Ansehen des Betriebs zurück. Allein schon deshalb konnte dem Meister der Lebenswandel seines Lehrjungen nicht gleichgültig sein.