Reiseführer sind stets eine spannende Quelle, wenn es um das Wie historischen Reisens geht. Auch aus dem vorliegenden Handbuch erfährt man diesbezüglich einiges. Zielgruppe des Handbuchs waren offenbar allein reisende Männer. Ihnen wird als geeignete Ausrüstung zu einem „leichteren Anzug“, einem Mantel, einem schwarzen Rock (Herren-Oberbekleidung) und starkem Schuhwerk geraten: „Für weitere Ritte und Nachtquartiere in Bauernhäusern braucht man Reisedecke, Eßbesteck und Trinkbecher, eventuell Gamaschen und eine Büchse Insektenpulver, sowie eine starke und gut verschließbare Reisetasche, die am Sattel angebunden werden kann. Die Mitnahme von Waffen macht nur Schwierigkeiten.“ (S. XIV) Sprachlich könne man sich im Reisegebiet gut mit französisch und neugriechisch behelfen, türkisch sei nicht unbedingt erforderlich. An den Küsten werde auch italienisch gesprochen und die Dragoman (= Führer und Dolmetscher) sprächen französisch, englisch oder deutsch (S. XII).
Die Autoren gingen offenbar davon aus, dass die Reisedauer stark variierte. Für Konstantinopel empfehlen sie eine Aufenthaltsdauer von mindestens vier bis fünf Tagen. Abstecher und Weiterreisen ins Umland (u. a. Bosporus, Brussa, Nicäa) oder ins westliche Kleinasien (Troja, Smyrna, Pergamon u. a.) und die dortigen (vor allem antiken) Sehenswürdigkeiten werden eingehend dargestellt. Auch den auf dem Anreiseweg liegenden Balkanstädten (Budapest, Sofia, Belgrad, Athen) sind eigene Kapitel gewidmet. Ihre Sehenswürdigkeiten sind ebenso wie diejenigen des Reiselandes mit dem von Baedecker eingeführten Sternchen-System kategorisiert, das besonders Sehenswertes mit ein oder zwei Sternen im Text hervorhob. Dies alles sind Hinweise darauf, dass von einer mehrtägigen Anreise ausgegangen wurde – allein die Dampferfahrt von Triest nach Konstantinopel dauerte 1905 sechs Tage –, wenngleich auch die Möglichkeit einer schnellen Anreise mit dem „Orient-Express und andere[n] Schnellzüge[n] mit Schlafwagen“ (S. IX) Erwähnung findet. Doch auch die schnellen Reiseverbindungen wurden unterbrochen und erforderten die entsprechenden Übernachtungstipps: „Die Hauptstädte der Balkanstaaten, in denen man vielleicht Halt macht, ebenso die Übergangspunkte von der Eisenbahn zum Dampfer sind mit europäisch geführten Gasthöfen versehen“ (S. IX).
Hier wie in der auf Seite XIII geäußerten Einschätzung, der „Nutzen einer Rückfahrkarte“ werde aufgehoben „durch den Zwang zweimal die gleiche Strecke zu fahren“, deutet sich ein Reiseverhalten an, bei dem der Weg zum Ziel der Reise ein wesentlicher Bestandteil der Reise war und keinesfalls nur ein möglichst schnell zu überwindender Zwischenraum.
Auch der Organisationsgrad der Reisenden war offenbar ein anderer als heute. Waren sie nicht Teil einer Reisegruppe, so hatten sie sich um Unterkunft, Verpflegung, Ernährung, Ausflüge, Transportmittel, Passangelegenheiten, Reisebudget in der richtigen Währung und vieles mehr selbst zu kümmern. Bei Fernreisen konnte vieles nicht im Vorfeld erledigt werden. Deshalb waren Informationen über Fahrpläne, zu Führungen vor Ort und wie man die entsprechenden Führer am besten anheuerte, über Konsulate und Unterkünfte, Reiseverkehrsmittel, die notwendigen Unterlagen und wo man sie erhielt sowie Informationen über sprachliche Voraussetzungen ebenso wichtig wie die Erläuterung des Sehenswerten oder ein Abriss über die Landesgeschichte. All das lieferte das Reisehandbuch, das für Individualreisende somit nahezu unverzichtbar war.
Damit die Reise nach Konstantinopel und ins westliche Kleinasien nicht an Kleinigkeiten wie Trinkgeldern scheiterte, findet auch dieses Thema beispielsweise in Zusammenhang mit der Kontrolle des Gepäcks Erwähnung: „Ein Trinkgeld (Bakschisch) von 3 bis 5 Piastern ist dabei [beim Übergang in andere Provinzen] üblich und erleichtert die Verhandlungen; es muß aber unauffällig, keinesfalls in Gegenwart höherer Beamten gegeben werden.“ (S. XV)