„Menschen, höret die Geschichte, die erst kürzlich ist geschehn“
Von Bänkelsänger*innen und ihren Moritaten
Kathrin Schulte
„Und der Haifisch, der hat Zähne // Und die trägt er im Gesicht // Und Macheath, der hat ein Messer // Doch das Messer sieht man nicht.“ Bei diesen Zeilen aus Bertold Brechts Dreigroschenoper handelt es sich um den Beginn einer der wohl berühmtesten Moritaten, die Generationen von Schüler*innen im Deutschunterricht kennenlernen. Moritat – der Begriff kann die Verwandtschaft zu „mortem“(lat.), „mort“ (franz.) oder "Mord", also Tod, nicht leugnen. Doch was hat und hatte es mit den Moritaten, also den Mord-Taten, auf sich?
Bei einer Moritat handelt es sich um ein Erzähllied eines Bänkelsängers oder einer Bänkelsängerin. Der Bänkelgesang geht auf die Verkäufer*innen der im 16. Jahrhundert aufkommenden „Newen Zeitungen“ zurück, illustrierte Flugblätter mit oft schreckenerregenden Mitteilungen. In Verbindung mit dem Moritatenheft und dem Moritatenschild bildete sich im beginnenden 17. Jahrhundert der Bänkelgesang heraus. Die soziale Stellung der Bänkelsänger*innen war niedrig, meist gehörten sie als Angehörige des „Fahrenden Volkes“ zu den „unehrlichen Leuten“, von denen man sich fern hielt und denen zum Beispiel das Erlernen eines Handwerks nicht gestattet war. Frühe Darstellungen zeigen sie zerlumpt und mit ihren Requisiten durch die Gegend ziehend - eine Darstellungsweise, die sie in die Nähe von Landstreichern und Bettlern rückte. Armut durch Arbeitslosigkeit oder Kriegsverletzungen waren meist Gründe, diesen Beruf zu ergreifen. So zogen beispielsweise nach dem Krieg von 1870/71 zahlreiche Kriegsversehrte als Drehorgelspieler oder Bänkelsänger umher.