Bernhard von Galen als Sagengestalt

13.09.2022 Peter Herschlein

'Bommen Berend' Christof Bernhard von Galen - Fürschbischof und Kriegsherr.

Andreas Eiynck

Über kaum eine andere historische Persönlichkeit wurden noch Generationen nach seinem Tod so viele Geschichten erzählt wie über den münsterischen Fürstbischof und Kriegsherrn Bernhard von Galen. Viele dieser Erinnerungen sind im Münsterland, im Emsland, in der Grafschaft Bentheim und natürlich in den Niederlanden als Volkssagen überliefert.

Ursache hierfür war sicherlich zunächst der zwiespältige Charakter des Bischofs als tiefreligiöser Kirchenmann und brutaler Kriegsherr. Seine tollkühnen militärischen Aktionen gingen in die Geschichte ein, selbst wenn er am Ende als Verlierer daraus hervorging. Spuren seiner Kriege waren an vielen Stellen noch lange Zeit sichtbar und gaben daher Anlass zu Ortssagen. Sichtbare Zeugnisse der Kampfhandlungen gehören ebenso in diesen Zusammenhang wie Gräber, die Soldaten aus dem Niederländischen Krieg zugeschrieben werden.

Bernhard von Galen als Schweinereiter. Spottbild aus dem 17. Jahrhundert.

Die Spottbilder der niederländischen Kriegspropaganda, in denen der Bischof häufig als „Schweinepriester“ und „Antichrist“ verspottet wurde, blieben auch im Münsterland nicht unbekannt und mögen mit ihrer drastischen Darstellungsweise den kriegslüsternen Landesherrn in der Erinnerung gehalten haben.

Verschiedene Sagen berichten davon, dass Bernhard von Galen, als Eierhändler verkleidet, nach Holland gegangen sei, um dort zu spionieren und um die politische Stimmung in der dortigen Bevölkerung kennenzulernen. Hierzu ist folgende Begebenheit überliefert: In einer Stadt fiel sein Blick auf ein Bild, das dort an einer Straße aushing. Der Bischof blieb davor stehen und betrachtete das Werk. Auf einer alten Sau saß ein Reiter. Darin erkannte er sich selbst wieder. Da meinte er zu den Umstehenden, das Bild sei zwar sehr schön, aber die Sau hätte keine Fesseln und darum könne sie noch „bursen“ (wühlen). Damit meinte er, dass die Holländer ihn noch nicht besiegt hätten. Keiner erkannte den Bischof, und unbeachtet ging er seines Weges weiter.

In Groningen soll er sich als Geflügelhändler unerkannt in die Stadt eingeschlichen haben. Dort angekommen ließ er einen Hahn laufen und versuchte scheinbar, das Tier wieder einzufangen. Dabei trieb er den Hahn jedoch durch die ganze Stadt und durch jeden Winkel. Die Leute lachten über den ungeschickten Händler, aber Bernhard von Galen machte das absichtlich, um die Festungswerke auszuspähen.

Aberglauben am Altar.

Die überraschenden Kriegserfolge, aber auch das brutale Vorgehen des Bischofs verwunderte viele Zeitgenossen. Steckten dahinter vielleicht geheimnisvolle Kräfte? Manche glaubten, er habe das „sechste Buch Moses“ besessen, ein Zauberbuch. Daraus habe er gehext. Bevor der Bischof in eine Schlacht zog, so weiß eine andere Sage zu berichten, legte er während der Messe das Schwert auf den Altar. Wenn sich das Schwert drehte, dann siegten seine Soldaten an diesem Tag. Wenn es liegenblieb, dann ging die Schlacht verloren.

Dem magischen Denken des 17. Jahrhunderts entsprach es, dass man gerne Namen und Zahlen als Hinweise auf die Zukunft deutete. Argwohn erregte dabei das Chronogramm, also die römische Zahl, die sich aus dem Namen des Bischofs ergab: ChrIstophorVs BernarDVs Von GaLen – DCCLVVVI (= 666). Denn in der Geheimen Offenbarung des Apostels Johannes heißt es: „Wer Verstand hat, der berechne die Zahl des Tieres. Denn es ist die Zahl des Menschen, und seine Zahl ist sechs hundert sechs und sechzig“. In den Niederlanden wurde diese Verbindung rasch erkannt und damit war Bernhard von Galen in den Augen vieler Holländer als der Antichrist enttarnt.

Grabmal Bernhard von Galens im Dom zu Münster.

Ein Ereignis von zentraler Bedeutung war im Krieg von 1672 die Belagerung von Groningen durch den „Kanonenbischof“. Dabei bezog Bernhard von Galen der Sage nach sein Quartier im Dorf Haren, nur wenige Kilometer südlich der Stadt. Vom dortigen Kirchturm aus beobachtete er täglich, wie seine Kanonen die Stadt beschossen. Seine zwanzigpfündigen Kugeln richteten schwere Schäden an, aber die Belagerung verlief nicht so, wie es sich der Bischof gewünscht hatte. Der Kriegsherr tröstete sich mit leckerem Sauerkraut mit Speck, seinem Leibgericht, das ihm ein Koch aus Haren täglich in den Kirchturm servieren musste. Dort saß er dann am Fenster und aß.

Es war am 27. August 1672, als er immer noch im Turm in Haren saß. Er dreht sich gerade zu seinem Essen um, als er ein Sausen in den Lüften vernahm. Eine große Kanonenkugel flog durch das Fenster des Kirchturms, schoss ihm sein Sauerkraut vom Teller und sauste an der anderen Seite durch ein Fenster wieder hinaus. Dort bohrte sich die schwere Kugel noch sieben Fuß tief in den fetten Groninger Lehmboden. Durch dieses Zeichen wurde dem Bischof klar, dass die Belagerung verloren war. Am nächsten Tag zog er seine Truppen von Groningen ab. Die Stadt war befreit.

Kriegslist mit verdrehten Hufeisen.

Die Kanone, mit der die Niederländer so gut zielen konnten, war die sagenhafte „grote Griet“ (wörtlich übersetzt die „große Margarethe“), über die in vielen Sagen von diesseits und jenseits der Grenze ganz unterschiedliche Begebenheiten berichtet werden.

Auf deutscher Seite wird berichtet, der Fürstbischof habe sich eine Kanone gießen lassen. Die war sehr groß und dick, und sie musste mit achtzehn Pfund Pulver gefüllt werden. Auf dem Kanonenrohr stand der Spruch:

Graute Greit heit ik

Siewwen Meil fleig ik

Harr ik mine Swester bi de Hand

Dann konn ik beschermen ganz Mönster un’t Land.

Große Greite heiß ich

Sieben Meilen flieg ich (die Kanonenkugeln!)

Hätt ich meine Schwester an der Hand (zweite Kanone)

Dann könnt ich beschützen Münster und das ganze Land.

 

Laut einer holländischen Sage stand die „Grote Griet“ jedoch in Groningen und beschoss von dort aus die Truppen des Bischofs von Münster. Auf dem Kanonenrohr stand nach dieser Version:

Grote Griet ben ik gehieten

Om wijd en weer kon ik wel schieten

Ik kreeg een kogel in mijn mond,

Ik schoot hem door de Haarder toren

En toen nog zeven voet in de grond

Groote Griete einst ich hieß

Weil ich weit und breit kann schieß.

Ich krieg die Kugel in den Mund,

ich schoss sie durch den Harener Turm

und noch sieben Fuß in den Grund.

 

Quelle und Literatur:

Gottfried Hensen (Hrsg.): Volk erzählt. Münsterländische Sagen, Märchen und Schwänke. Münster 1935. (Vorzeichen: Schwert auf dem Altar).

Heinz Bügener: Volks-Geschichten. Sagen und Spukgeschichten aus dem alten Kreis Coesfeld und seinen Randgemeinden. 1. Teil, Coesfeld 1980. (mit einem Hahn auf Spionage).

Hermann Bücher: Bramgau-Sagen. Bocholt 1930. (Blutregen auf Burg Kretier 1671 als Vorzeichen des Krieges; Massengrab von Soldaten Bernhard von Galens am Kreuz in Kretier).

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