Buchvorstellung: Mein Weg vom Fegefeuer ins Paradies (Ewald Eggert)

11.10.2024 Niklas Regenbrecht

Hof Eggert.

Michael Rosenkötter

Die tiefgreifenden Veränderungen in der Landwirtschaft seit den 1960er Jahren haben nicht zuletzt in persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen ihre Spuren hinterlassen. Autobiografien wie zuletzt von Ewald Frie (Ein Hof und elf Geschwister) legen Zeugnis darüber ab. Verändert hat sich seit Ende der 1960er Jahre aber nicht nur die Landwirtschaft: Die 1960er Jahre waren auch die Sattelzeit einer postindustriellen Moderne, die mit dem Wandel von Einstellungen, Werten und Lebensstilen einherging. Nachvollziehbar werden diese Prozesse anhand von Autobiografien wie derjenigen von Ewald Eggert.  

In seinen Lebenserinnerungen unter dem Titel „Mein Weg – Vom Fegefeuer ins Paradies“ erzählt er wie seine Eltern, deren fünf Jungen und die auf dem Hof lebenden Tanten den landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafteten. Neben der Schweinezucht betrieben die Eltern Ackerbau. Der Hof war nicht ihr Eigentum, sondern vom Münsterschen Studienfonds gepachtet. Ewald Eggert erzählt von der mühevollen Arbeit auf dem Hof: so wurden die Runkelrüben zwar maschinell ausgesät, mussten aber manuell ausgedünnt werden. Regelmäßig hatten die Kinder Unkraut zu jäten. Im Herbst wurden die Runkeln aus der Erde gezogen, die Blätter abgestochen und mit der Forke auf die Bockkarre geladen. Große Maschinen machten auf den kleinen Flächen keinen Sinn. Erst Anfang der 1960er Jahre, nach der Flurbereinigung, konnten auf den nun vergrößerten Feldern schwere Traktoren, Mähdrescher und Erntemaschinen eingesetzt werden.

Der Autor berichtet von der Hausschlachtung im Winter, von Nikolaus- und Weihnachtsfeiern, von der Volksschule und der Prügelstrafe, vom Pastor, der ihn aufgrund eines Sprachfehlers nicht Messdiener werden lässt, vom „altberühmten Enniger Markt“ und dem alternativen Schützenfest.

„Die Hölle war meine Kindheit nicht, der Himmel war sie aber wahrlich auch nicht. Demzufolge muss es das Fegefeuer gewesen sein. Im Fegefeuer bestand noch die Chance, aus diesem wieder rauszukommen, wenn man sich entsprechend verhielt. Wer lieb, artig, fleißig und gehorsam ist, kann den Himmel noch erreichen, hörte ich in meiner Kindheit häufig.“

Szene auf dem Hof.

Die Übernahme des Hofes war für Ewald Eggert zunächst nicht vorgesehen. Nach einer abgebrochenen Berufsausbildung bei der Post machte er eine Lehre als Karosseriebauer beim Stellmacher Hoppe in Enniger.

Er träumte davon, andere Länder zu sehen. Immer wieder zog es ihn nach Afrika. Vier lange Touren führten ihn von Nord- nach Südafrika. Er traf dort auf kriminelle Jugendgangs, bekam einen Lehrgang „Handeln in Afrika“, lernte hautnah die Apartheid in Südafrika kennen, machte Bekanntschaft mit angriffslustigen Flusspferden, wollte dem König von Rey Bouba in Nord-Kamerun einen Besuch abstatten, und war dem Tode nah am Tafelberg.

Zu Hause in Enniger baute der gelernte Karosseriebauer zusammen mit seinem Freund Lothar das kleinste Wohnmobil der Welt: die Citroën 2CV-Rucksackente. Es wurde ein Erfolgsmodell.

Es gäbe noch vieles anderes zu erwähnen: eine Fabrikbesetzung in Ahlen, die Reisen nach Australien und Neuseeland, die Demonstrationen gegen atomare Waffen in Deutschland, die Musikkneipe in Enniger, ein Autounfall, die Olympischen Spiele in Moskau.

Und am Ende kommt es doch zur Hofübernahme – auch das natürlich nicht ohne Hindernisse: „Elis hatte den Hofladen und betreute zwei Kinder, machte den Haushalt und half auf dem Hof. Ich arbeitete auf dem Hof und lieferte Werbegeschenke für Apotheken aus und wir kamen trotzdem finanziell nicht zurecht.“

Die Wende kam, als die beiden aus der Not geboren – das Schweinefleisch konnte nicht schnell genug abgesetzt werden – „Eggerts Tiefkühl-Service“ gründeten. Die Nachfrage nach biologisch produziertem Fleisch stieg stetig und die Firma hatte schnell 280 Tiefkühlprodukte im Angebot. Vier Lieferwagen verteilten die Tiefkühlware in 350 Bio-Läden von Bremen bis Koblenz. Aus dem Biohof am Rande des Bankrotts war ein profitables Unternehmen geworden.

Und ja, das Paradies hat der Autor auch gefunden: während der kalten Jahreszeit verbringen Ewald und Elis Eggert ihren Ruhestand auf der kanarischen Insel ‚La Gomera‘.

 

Bibliografische Angaben:

Ewald Eggert, Mein Weg – Vom Fegefeuer ins Paradies. Eine Autobiografie. Norderstedt 2024.