Archivbestände vorgestellt: Das Christkind im Frühling

22.05.2020

Briefkopf eines Antwortbriefes des Christkindes aus dem Weihnachtspostamt Himmelpforten aus den 1970er Jahren

Einblicke in die Sammlung „Weihnachten“ des Archivs für Alltagskultur

Dörte Hein

Zugegeben ein wenig außergewöhnlich ist es schon, sich bereits im Mai dem Weihnachtsfest zu widmen. Doch Archivalien sind ja schließlich keine „Saisonware“, die es nur verdient zum passenden Zeitpunkt in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt zu werden.  Daher setzen wir uns über die saisonalen Gepflogenheiten hinweg und stellen eine bemerkenswerte Sammlung vor, die im Archiv für Alltagskultur bislang noch nicht erschlossen wurde, aber dennoch für die Nutzung zugänglich ist.

Die 22 Archivkartons umfassende Sammlung „Weihnachten“ wurde Anfang der 1970er Jahre von dem damaligen Geschäftsführer der Volkskundlichen Kommission, Dietmar Sauermann, begonnen. Er zog diese partiell als Quellengrundlage für zwei seiner Veröffentlichungen heran. („Weihnachten in Westfalen um 1900“ (1976); „Von Advent bis Dreikönige. Weihnachten in Westfalen“ (1996)).

Die Sammlung „Weihnachten“ im Archiv für Alltagskultur birgt wahre Quellenschätze, die es verdienen, genannt und vorgestellt zu werden, nicht zuletzt um Interesse für weitere Untersuchungen zu wecken.

Allein in elf Archivkartons befindet sich eine Zusammenstellung von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Broschüren, Handzetteln und Prospekten zu Themen wie Advent, Backen, Basteln, Beleuchtung, Erzählungen und Lieder, Familie, Festessen, Spendensammlungen, Weihnachtsurlaub, Weihnachtsmärkte und vieles mehr. Auch liegen Fragebögen zu „Weihnachtsmärkten in Westfalen“ von Umfragen in den Kommunen aus den Jahren 1979, 1995 und 1999 bei, die Aufschluss über das Gründungsjahr, den zeitlichen und räumlichen Umfang der Märkte, Begleitveranstaltungen sowie die Motivation der Veranstalter geben. Eine erste Auswertung der Umfrage 1979 erfolgte bereits in dem im November/Dezember herausgegebenen Rundschreiben des Westfälischen Heimatbundes von 1980. Hier berichtet Dietmar Sauermann von der im Jahr zuvor von der Volkskundlichen Kommission initiierten Fragebogenaktion, an der 180 der 230 angeschriebenen Städte und Gemeinden Westfalens teilnahmen.

Eine Besonderheit der Sammlung bilden zwei mit zahlreichen Briefen bestückte Archivkartons, die aus einer von der Neuen Ruhr Zeitung veranstalteten Leseraktion resultieren. In Beantwortung der Frage „Kennen Sie alte Weihnachtslieder?“ gingen Ende 1980 unzählige Lieder, Gedichte und Kurztexte bei der Zeitungsredaktion ein. Diese stammten aus mündlichen Überlieferungen innerhalb der Familie, aus antiquarischen Texten oder den Erinnerungen der jungen wie auch älteren Leserschaft. Möglicherweise von dem „Ansturm“ auf die Redaktion überwältigt, wurden damals einige der Briefe nicht geöffnet. Dies wurde bei der jüngsten Sichtung des Materials im Archiv erst einmal nachgeholt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sind die Briefe vorerst allerdings nur anonymisiert auswertbar.

Die Öffnung einer der ungeöffneten Einsenundungen an die Redaktion der NRZ durch das Team des Archivs für Alltagskultur.

Bleiben wir für einen Moment bei der Quellengattung Brief, denn es sei unbedingt auf weitere sieben Archivkartons hingewiesen, die randvoll gefüllt sind mit Weihnachtspost aus den Jahren 1977-1979. Hierbei handelt es sich nicht um gewöhnliche Weihnachtsgrüße, vielmehr haben wir es hier mit einem reichen Fundus von Briefen an den Weihnachtsmann bzw. das Christkind zu tun, die Kinder aus der ganzen Bundesrepublik an das Weihnachtspostamt in Himmelpforten (bei Stade, Niedersachsen) schickten. Neben vielen Einzelabsendern befinden sich darunter auch ganze Brief -oder Bildersammlungen von Kindergartengruppen und Grundschulklassen. Himmelpforten ist nur eines von insgesamt neun Weihnachtspostämtern, die von der Deutschen Post in Nordrhein-Westfalen (Engelskirchen), Thüringen (Himmelsberg), Brandenburg (Himmelspfort), Niedersachsen (Himmelpforten, Himmelsthür, Himmelreich, Nikolausdorf), Bayern (Himmelstadt) und im Saarland (St. Nikolaus) in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern unterhalten werden. Die eingehenden Briefe werden mit einem meist vorformulierten Brief beantwortet. Vorlagen dieser Antwortschreiben liegen der Briefsammlung ebenfalls bei. Himmelpforten wurde bereits ab 1961 durch Zufall zu solch einem Weihnachtspostamt und hält diese Tradition bis heute aufrecht. 

Außerdem wird die Sammlung „Weihnachten“ um weitere neun Aktenordner ergänzt, die geschätzt über 2 000 kopierte Anzeigen aus verschiedenen westfälischen Zeitungen aus den Jahren 1796-1915 enthalten. Darunter befinden sich u.a. Werbeanzeigen für Weihnachtsgeschenke, Wohltätigkeitsaufrufe rund um das Weihnachtsfest sowie Ankündigen von Weihnachtsveranstaltungen und -ausstellungen aus dem Westfälischen Merkur, dem Münsterischen Intelligenzblatt und der Münsterschen Zeitung. Schon allein aus Sicht der Konsumforschung würde sich ein Einblick in diese knapp 120 Jahre umfassende und bisweilen unterhaltsame Weihnachtswerbung allemal lohnen.

Schließlich runden vier Archivkartons, die Zeitungsanzeigen von 1995 enthalten, die Sammlung ab. Hierbei handelt es sich um Anzeigen aus verschiedenen regionalen Ausgaben des Westfalenblattes, der Glocke, den Ruhr-Nachrichten, der Westfälischen Rundschau und der Münsterschen Zeitung. Offensichtlich wurden einige wenige Stichtage im November und Dezember 1995 ausgewählt, an denen die Ausgaben auf Anzeigen zu lokalen Veranstaltungen wie Feste, Märkte oder Aktionen durchgearbeitet wurden, um einen vergleichenden Eindruck der Vorweihnachtszeit in den westfälischen Städten und Gemeinden zu gewinnen.

Wenn Sie neugierig auf die Sammlung geworden sind oder noch Fragen dazu haben, melden Sie sich gerne im Archiv für Alltagskultur.

 

Literatur:

Sauermann, Dietmar (Hg.): Weihnachten in Westfalen um 1900, Münster 1976.

Sauermann, Dietmar: Von Advent bis Dreikönige. Weihnachten in Westfalen, Münster 1996.

Sauermann, Dietmar: Weihnachtsmärkte in Westfalen, in: Westfälischer Heimatbund. Rundschreiben. Beilage zum Westfalenspiegel, Hft. 11/12, Jg. 1980, S. 1-3.