Sollte der Hersteller bei der Gestaltung des Knopfes demnach auf die falsche Abbildung des Tecklenburger Grafenwappens zurückgegriffen haben? Ein solcher Fehler scheint auszuschließen zu sein. Denn für die Produktion der Livreeknöpfe bekamen die Knopfproduzenten in der Regel Zeichnungen als Vorlage zugesandt. Die Graveure arbeiteten diese dann in eine entsprechende Gravur um. Von den Auftraggebern wäre also ein solch grober Fehler reklamiert worden. Doch um welches Wappen könnte es sich dann handeln? Nach längerer Suche fand sich ein weiteres Wappen, welches der Darstellung auf dem Knopf gleicht. Es handelt sich um das Stammwappen der Freiherren Morawitzky von Rudnitz. Das Wappen mit den drei roten Herzen existiert seit 1271. Eine entsprechende Abbildung findet sich in Konrad Tyroffs „Wappenbuch der österreichischen Monarchie“ von 1839.
Ungeklärt bleiben wird wohl die Frage danach, wie der Knopf einer polnischen Adelsfamilie nach Westfalen gekommen ist. Denn eine Verbindung des Adelsgeschlechts Morawitzky ins Tecklenburger Land konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Möglicherweise gelangte der Knopf gar nicht über den Angestellten einer Adelsfamilie an seinen Fundort, sondern über einen Händler, der diesen als Musterexemplar mit sich führte. Denn oftmals verkauften die Knopfproduzenten ihre Knöpfe auch über reisende Händler. Diese brachten ihren Kunden Musterkarten mit, auf denen verschiedene Knopftypen zur Auswahl angebracht waren. Vielleicht gelangte der Knopf auch erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Westerkappeln. Mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung wurden alle standesgemäßen Vorrechte des Adels in Deutschland abgeschafft. Daneben führten auch notwendig gewordene Sparmaßnahmen an den Adelshöfen zur Abkehr von einer livrierten Dienerschaft. . Die nun nicht mehr benötigten Livreen wurden zum Teil verkauft. Mit den ausrangierten Kleidungsstücken deckten sich unter anderem Theater und Filmgesellschaften ein. Es ist also auch möglich, dass der Knopf über diesen Umweg erst lange Zeit später nach Westerkappeln gekommen ist.
Auch wenn die genaue Herkunft des Knopffundes im Verborgenen bleibt, ist der Fund ein eindrucksvolles Zeugnis der repräsentation adeliger Familien bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein. Die Beschäftigung mit diesem kleinen Fund hat gezeigt, welche sozialgeschichtlichen, alltagskulturellen oder wirtschaftsgeschichtlichen Themen und Erkenntnismöglichkeiten ein Knopf bergen kann.
Literatur und Quellen:
Bernsdorf, E.: Livreen und ihre kulturelle Bedeutung für die Fürstenfamilie von Thurn und Taxis. Zur männlichen Dienstkleidung seit 1748 (Münster/New York 2020).
Herschlein, P.: Funde mit Geschichte(n). Sondengängerfunde aus Westerkappeln (Westerkappeln 2019).
Hostert, W.: Geknöpfte Heraldik. Eine Einführung in die Welt der Bilderknöpfe. Lüdenscheider Knopfbuch 1. Teil: Uniformknöpfe: 1. Geknöpfte Heraldik (Lüdenscheid 1997).
Kliegel, M.: Des Dieners alte Kleider. Livreen und Livreeknöpfe – Ausgewählte Beispiele deutscher Adelshöfe des 19. Jahrhunderts (Münster 1999).
Kliegel, M.: „An den Knöpfen sollt Ihr sie erkennen“. Der Knopf an Livreen und Ziviluniformen des 19. Jahrhunderts – eine Spurensuche. In: Hindges, H.: Nach Rang und Stand. deutsche Ziviluniformen im 19. Jahrhundert - eine Ausstellung im Deutschen Textilmuseum 24. März bis 23. Juni 2002 (Krefeld 2002) S. 210-218.
O. Verf., Historisch-heraldisches Handbuch zum Genealogischen Taschenbuch der gräflichen Häuser (Gotha 1855).
Reilly, F. J. J. von: Wappenbuch (o. O. 1791).
Sandler, Ch. Handbuch der Leistungsfähigkeit der gesamten Industrie des preussischen Staates. Mit einem durch ein umfassendes Fabrikaten-Register zum integrierenden Bestandtheile des Werkes bearbeiteten Adressen-Anzeiger (Leipzig 1873).
Spannhoff, Ch.: Die Ursprünge der Wappenzeichen. Seeblätter bleiben ein Geheimnis. Westfälische Nachrichten vom 30.08.2018.
Spießen, M. von: Wappenbuch des Westfälischen Adels, Bd. 1und 2 (Görlitz 1901/1903).
Tyroff, K.: Wappenbuch der österreichischen Monarchie", Bd. 11 (Nürnberg 1839).
Zedlitz, L.: Neuestes Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam zum täglichen Gebrauch der Einheimischen und Fremden aller Stände (Berlin 1834).