Christiane Cantauw
„Das war selbstverständlich der höchste Feiertag des Jahres“, erinnert sich der 1903-1906 zur Lehrerausbildung eine Präparandie im münsterländischen Langenhorst besuchende Heinrich Mevenkamp, dessen Lebenserinnerungen im Alltagskulturarchiv bewahrt werden. Doch auch wenn es dem angehenden Volksschullehrer angesichts der Feierlichkeiten als selbstverständlich erscheinen wollte: Ein offizieller, ein gesetzlich verfügter Nationalfesttag war der Kaisergeburtstag nicht – weder der Kaiser Wilhelms II. am 27. Januar noch zuvor der seines Großvaters Wilhelm I. am 22. März.
Mevenkamp erinnert sich in Bezug auf die Feier des 27. Januar 1904 an eine „amtlich vorgeschriebene Feier auf der Aula“. Weitaus erfreulicher war für die Seminaristen seinerzeit aber der am Nachmittag dieses Tages offenbar übliche gemeinsame Gang zur „Herrlichkeit“, einer an der Ems gelegenen Kaffeewirtschaft. Im Vorfeld waren für einen Umtrunk hier von jedem Seminaristen zehn Pfennig eingesammelt worden. Dafür bekamen die angehenden Lehrer jeweils eine Flasche Bier: „Offiziell wurde ja auch nicht mehr getrunken“, merkt Mevenkamp dazu an.
Sowohl der Spaziergang zur „Herrlichkeit“ als auch das Festprogramm in der Aula, das Mevenkamp leider nicht eingehender beschreibt, waren Bestandteile der auch schon vor 1871 in Preußen üblichen Herrschergeburtstagsfeiern, zu denen ein Hoffest in Berlin ebenso gehörte wie Kirchen- und Schulfeiern sowie Spaziergänge und öffentliche Vergnügungen wie Bälle und Festessen. Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund vom 21. Juni 1869 enthielt ein zivilrechtliches Arbeitsverbot für Feiertage, das hier griff.
Auch in den Städten des Deutschen Kaiserreichs wurde der Geburtstag des Monarchen gefeiert. In den Chroniken der Stadt Münster ist von katholischen, aber auch evangelischen Festgottesdiensten, von Militärparaden, Festakten an den Schulen, Feiern der Akademie mit Festreden des Rektors und von nachmittäglichen Festessen im Rathaussaal für geladene Bürgerinnen und Bürger die Rede. Mindestens im Jahr 1900 waren wohl auch die Straßen und Plätze beflaggt und die öffentlichen Gebäude illuminiert.