Christiane Cantauw
Unter der Überschrift „Koloniales Erbe vom Dachboden: angeschaut und nachgefragt“ riefen der Westfälische Heimatbund und die Kommission Alltagskulturforschung 2022 dazu auf, ihnen Gegenstände zu melden, die als Andenken, Beute oder Geschenk ihren Weg aus den Kolonien nach Westfalen gefunden haben. Ein solches Artefakt ist das Album des Lingeners Hermann Buschmeier, das der Kommission für ein Forschungsseminar mit Studierenden der Universität Münster (Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie) vom Emslandmuseum in Lingen leihweise zur Verfügung gestellt wurde.
Wer war Hermann Buschmeier? Hermann Buschmeier war mit großer Wahrscheinlichkeit Marinesoldat und gehörte der in China stationierten kaiserlichen Reichsmarine an. Das Deutsche Kaiserreich hatte 1898 einen Pachtvertrag mit dem Chinesischen Kaiserreich erzwungen und das für einen Flottenstützpunkt günstig gelegene Jiaozhou im Süden der Shandong-Halbinsel an der chinesischen Ostküste auf 99 Jahre gepachtet. Das deutsche Pachtgebiet, seinerzeit als Kiautschou-Bucht bezeichnet, wurde – anders als die übrigen überseeischen deutschen Kolonien – nicht dem Auswärtigen Amt unterstellt, sondern dem Reichsmarineamt. Die militärische Dominanz spiegelte sich auch in der Zusammensetzung der Gruppe der Nicht-Chinesen: So waren im Jahr 1910 von 4.500 Ausländern 1.531 deutsche Zivilisten und 2.275 Marinesoldaten. Stationiert in Qingdao, in der deutschen Kolonialzeit Tsingtau, stand an der Spitze der militärischen und zivilen Verwaltung der Gouverneur, der stets ein aktiver kaiserlicher Marineoffizier im Range eines Kapitäns zur See war. Welchen Rang Hermann Buschmeier in der Truppe bekleidete, lässt sich nicht mehr eruieren, auch nicht, wann genau er in China stationiert war und was er nach seiner Dienstzeit machte. Lange nach dem Ersten Weltkrieg taucht ein Hermann Buschmeier in den Lingener Adressbüchern von 1925 und 1930 auf. Er gab als Beruf (Eisenbahn-)Maler an – ob es sich bei diesem Hermann Buschmeier um den ehemals in China stationierten (Marine-)Soldaten handelt, ist nicht geklärt.