Der Pfingstochse. Pfingstbräuche in Lingen und anderswo

21.05.2021 Dorothee Jahnke

Pfingstochse auf dem Schlachthof in Lingen (um 1930). Foto: Bildarchiv des Emslandmuseums Lingen.

Andreas Eiynck

 

Pfingsten verbinden die meisten Lingener nicht nur mit einem hohen kirchlichen Feiertag, sondern auch mit dem Bürgerschützenfest und dem seit 1372 regelmäßig zu Pfingsten gefeierten Bürgersöhne-Aufzug zum Kivelingsfest. Doch auch andere Bräuche in der Stadt an der Ems waren mit dem Pfingstfest verbunden.

Eine Zeitzeugin, Elisabeth Windthoff (*1868), erinnert in einem Brief an Pfingstbräuche, wie sie in Lingen in den 1880er-Jahren ausgeübt wurden: „Das Pfingstfest hatte seine besondere Note. Am Pfingsttag nachmittags wurde draußen Kaffee getrunken unter der Pfingstkrone. Die Pfingstkrone bestand aus zwei Reifen, ein horizontaler und ein vertikaler übereinander geschoben, die mit Grün und Blumen umwickelt waren. Einige Tage vorher wurde ein bekränzter Ochse über den Markt geführt, was wir uns ansahen.“

Wie auch andernorts gab es hier also bis weit ins 19. Jahrhundert den Brauch, zu Pfingsten einen geschmückten Ochsen durch den Ort zu treiben. Er wurde mit Blumen, Stroh und Kränzen geschmückt und in einem feierlichen Zug durch die Gassen geführt, um dann letztlich als Schlachtvieh für das festliche Mahl zu enden.

Im Stadtbild ganz besonders augenfällig war dieser Brauch in Lingen noch lange Zeit, denn hier entstand 1892 am sogenannten Gasthausdamm unmittelbar am Rande der Innenstadt auf dem Gelände der früheren städtischen Kuhweide ein kommunaler Schlachthof. Während Schweine damals meistens noch vor Ort von einem fachkundigen Hausschlachter getötet und zerlegt wurden, galt für Rinder und Pferde schon ein sogenannter Schlachtzwang in einem hygienisch besonders ausgestatteten Schlachthaus. Die Gebühr für eine Schlachtung betrug in Lingen seinerzeit für einen Ochsen oder einen ausgewachsenen Stier vier Mark und für eine Kuh drei Mark, für ein Schwein 1,75 Mark. Gekühlt wurde das Schlachthaus mit Eisblöcken aus dem Dortmund-Ems-Kanal, die im Winter in einen Eiskeller eingelagert und den Sommer über verbraucht wurden.

Der Weg zum früheren Schlachthof, dieser dient seit einem Umbau in den 1980er-Jahren heute als Jugendzentrum „Alter Schlachthof“, führte einst durch die engen Straßen der Altstadt. Gerade zu Pfingsten dürfte dabei so mancher Ochse oder Stier seine letzte Runde über den Lingener Marktplatz gedreht haben, denn dort befand sich direkt vor dem historischen Rathaus die öffentliche Viehwaage. Stellte der Besitzer eines Tieres vor der Übergabe an den Schlachthof ein überraschend hohes Schlachtgewicht fest, so konnte man gleich in einer der vielen benachbarten Gaststätten darauf anstoßen.

Der Pfingstochse hat aber noch eine zweite, sprichwörtliche Bedeutung. Damit meint man einen zumeist etwas einfältigen Menschen, der sich zu einem festlichen Ereignis vom Scheitel bis zur Sohle ungewohnt und bisweilen etwas übertrieben feingemacht hat, eben herausgeputzt wie ein Pfingstochse.

Ob dabei eventuell ein Zusammenhang zum Lingener Bürgerschützen- und Kivelingsfest besteht, konnte die Forschung bislang noch nicht herausbekommen.