Christiane Cantauw
Sonntag, der 19. April 1903, war für die katholisch getaufte Luise Witte aus Lingen ein wichtiger Tag: Sie empfing zum ersten Mal das Sakramet der heiligen Kommunion. Die Erinnerung an diesen Initiationsritus liegt im Alltagskulturarchiv in Form von zahlreichen Glückwunschkärtchen vor, wie sie um die Wende zum 20. Jahrhundert üblich waren. Verwandte, Freundinnen, Freunde der Familie, aber auch der Pastor und Caplan Hanewinkel gratulierten Luise zur „ersten heiligen Communion“ und widmeten dem Andenken an „den schönsten Tag des Lebens“ mannigfaltig gestaltete Druckgrafiken mit religiösen Motiven.
Die kirchliche Feier des erstmaligen Sakramentempfangs etablierte sich in der römisch-katholischen Kirche im 17. Jahrhundert. Bis zum 19. Jahrhundert setzte sich dieses Ritual allgemein durch. Als Termin für die Erstkommunionfeiern erfreute sich in vielen Kirchengemeinden der „Weiße Sonntag“ großer Beliebtheit. Diese Bezeichnung für den zweiten Sonntag der Osterzeit geht auf die weiße Bekleidung der in der Osternacht Getauften zurück, die diese die gesamte Woche während der Gottesdienste trugen und am Sonntag nach Ostern, dem Weißen Sonntag, wieder ablegten.Dass die Erstkommunion 1903 in Lingen kein rein kirchliches Fest mehr war, belegen die vielen Glückwünsche, die Luise erhielt. Die meist 8 x 13 cm und 5 x 12,5 cm großen Kärtchen zeigen zwar eine große Bandbreite an religiösen Motiven – Darstellungen von Jesus, Maria, Engeln, Kreuzen oder Hostien –, es finden sich aber auch Kärtchen mit Blumenschmuck oder einer Kombination aus beidem. Bei einem Teil dieser Andenken handelt es sich um Einblattdrucke; darüber hinaus liegen auch Klappkarten oder kleine Heftchen vor, in denen für das Fest passende Gebete abgedruckt sind. Prägedruck, aufwändig kolorierte Lithografien, Goldauflage, dekorative Rahmungen und ausgestanzte Ränder betonen die hohe Wertigkeit der Papierprodukte.