Besondere Beachtung schenkten die Ausgräber allerdings einem Toten, dessen Brust mit einem schweren Kalkstein belegt worden war. Dieser maß 22 x 19 x 8 Zentimeter. Da dieser Stein nicht zufällig an seine Fundstelle gelangt sein kann, muss er ursprünglich mit Absicht platziert worden sein und wird von den Archäologen als Maßnahme gegen das „Wiedergehen“ des Toten interpretiert. Die Ladberger scheinen also zum Zeitpunkt des Todes dieses Verstorbenen geglaubt zu haben, dass er sich wieder aus seinem Grab erheben könnte. Vor allem unnatürliche Todesumstände verbanden die vormodernen Menschen mit einer solchen Vorstellung. Die Beschwerung von Toten mit Steinen ist allerdings ein Phänomen, das in Deutschland bisher eher aus weiter östlichen Gebieten bekannt geworden ist, weshalb der Ladberger Fund eine Besonderheit darstellt.
Dennoch dürfte es den Glauben an Untote einst auch in Westfalen gegeben haben. So befindet sich im Archiv der Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen in Münster unter anderem ein Bericht über gespenstische Erscheinungen in Ladbergen, den Friedrich Saatkamp 1965 verfasste (Inventarnummer: MS02558). In diesem führt er aus: „Von wiederkehrenden Toten war früher in Ladbergen ebenfalls oft die Rede und spielte auch dieses Gebiet des ‚Wiergaohens‘ (Wiedergehens) im Dasein der alten Ladberger eine nicht unerhebliche Rolle. So wußte der Volksmund von manchen Fällen zu berichten, wo Verstorbene wegen eines im Leben verübten Unrechts keine Ruhe fanden und bald nach ihrem Tode den Angehörigen oder anderen Personen erschienen.“ Möglicherweise ist der Ladberger Fund somit ein früher Beleg für westfälische Wiedergänger-Vorstellungen, die dann später Motiv von mündlichen Erzählungen wurden. Schon Heinrich Heine (1797–1856) war sich ja 1837 mehr als sicher: „Nicht alles ist tot in Westfalen, was begraben ist.“
Quellen
Stefan Eismann: Ausbruchgruben, Totenkrone und Wiedergänger – die Alte Kirche in Ladbergen: Kreis Steinfurt, Regierungsbezirk Münster, in: Archäologie in Westfalen-Lippe (2009), S. 111–114. https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/aiw/article/view/25059/18765
Stefan Eismann, Die Ausgrabung der Alten Kirche in Ladbergen, Kr. Steinfurt 2008/09. Abschlussbericht. https://www.ladbergen.de/pics/medien/1_1377243545/Abschlussbericht_Publikationsfassung.pdf
Friedrich Saatkamp, Bericht über Sagen von Erscheinungen und örtliche Spukgeschichten, Archiv für Alltagskultur der Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen, Inventarnummer: MS02558. https://www.lwl.org/330-download/daten/manuskripte/2001-3000/2501-2600/02558.pdf