Der Zoll bleibt aus. Der tecklenburgische Generalpächter Schloimann und seine Nöte

11.03.2025 Niklas Regenbrecht

Diese Karte des Grenzgebietes zwischen dem tecklenburgischen Wersen und dem Hochstift Osnabrück aus dem Jahr 1778 zeigt unter anderem das Moor, „wo der neue Dam[m] abgestochen“ wurde, der im Zentrum der Debatte über die Erhebung des Zolles stand, Foto: LAV NRW W, W 051/Karten A (Allgemein), Nr. 267.

Sebastian Schröder

Zölle: Aktuell ein heiß diskutiertes Thema, das Politik, Wirtschaft und Börsen in Atem hält. Bereits im 18. Jahrhundert besaßen Zölle eine besondere Relevanz, wie nachfolgend am Beispiel der Grafschaft Tecklenburg gezeigt werden soll.

Als Landesherrn der Grafschaft Tecklenburg standen dem preußischen König verschiedene Rechte und Einkünfte zu. Unter anderem besaß er das Recht, Zölle einzuziehen. Die Erhebung besorgten die Vögte. Dazu muss man wissen, dass die Grafschaft Tecklenburg in mehrere kleinere Verwaltungseinheiten gegliedert war, die die Zeitgenossen als Vogteien bezeichneten. Diese wiederum umfassten jeweils mehrere Bauerschaften. Der Zuschnitt der Vogteien orientierte sich an den Grenzen der Kirchspiele.

Die Aufsicht über die Zollerhebung oblag den Kriegs- und Domänenräten in Minden. Normalerweise mussten die Vögte als zuständige Bedienstete vor Ort genau Buch führen. Grundlage ihres Tuns sollten die sogenannten Zollrollen sein, die für verschiedene Güter die Höhe der Taxen festlegten. Das war nicht immer konfliktfrei: Anfang 1725 regte sich Protest gegen den Vogt Ostendorf zu Lotte und Wersen. Die jüdische Bevölkerung beschwerte sich, dass der Vogt die Taxe „nicht nach d[er] Zollrolle, sondern nach eigenem Gefallen, bald viel, bald wenig“ bemesse. Zwar erhielt Ostendorf seitens der Kriegs- und Domänenkammer die Order, diesen Missstand abzustellen und überdies die Forderung, seine schriftlichen Aufzeichnungen einzureichen. Ob es aber wirklich dazu kam, bleibt unbekannt.

Wohl auch aufgrund solcher Probleme bei der Zollerhebung beschlossen die preußischen Behörden, die Einziehung der Zahlungen zu verpachten. In der Folge übertrug man einem Pächter die Verantwortung. Dieser entrichtete eine fixe Summe und durfte im Gegenzug alle Zolleinkünfte behalten. Zwar drohte dem preußischen König fortan der Ausfall von Spitzenerträgen, aber auf der anderen Seite minimierte er wirtschaftliche Risiken, die nunmehr der Pächter trug. Außerdem hofften die königlichen Beamten vermutlich, zukünftig weniger mit Auseinandersetzungen und Streitigkeiten behelligt zu werden.

Dieses Kalkül ging jedoch nicht auf. Etwa klagte im August 1727 der Generalpächter der Grafschaft Tecklenburg, Schloimann. Wie er der Kriegs- und Domänenkammer berichtete, hätten die osnabrückischen Landesherren „einen Damm durch ein Moor von Bramsche auff Ossnabrück durch Ihr Territorium werffen laßen“. Dadurch würden Bremer Händler nicht mehr die Route über Wersen wählen, um in die Bischofsstadt zu gelangen, sondern über den neuen Damm. Das bedeute, dass die Kaufleute „ohne Berührung dieser Graffschafft [Tecklenburg] auff Ossnabrück fahren“. Dementsprechend mindere die Trasse ganz erheblich die tecklenburgischen Zolleinnahmen. Für den Zeitraum zwischen 1725 und 1726 müsse er einen Verlust von 20 Reichstalern, für das darauffolgende Rechnungsjahr sogar ein Minus von 40 Reichstalern vermelden. Werde in Zukunft „solche neue Passage von Zeit zu Zeit in beßeren Standt gebracht“, dürften die Erträge nochmals sinken, so Schloimann. Deshalb forderte er, die Kriegs- und Domänenkammer solle seine Pacht verringern. Diese hatte aber kein Einsehen: Schloimann sollte dem preußischen Staat weiterhin die volle Pachtzahlung leisten.

Schloimann gab freilich nicht kampflos auf. Zunächst wandte er sich im Februar 1728 abermals an die Kriegs- und Domänenkammer. Nachdem diese nicht von ihrem Standpunkt wich, kontaktierte der Generalpächter im Juni des Jahres den preußischen König in Berlin, der wiederum von seiner landesherrlichen Verwaltung in Minden Bericht einforderte. Die Kammer befahl ihrerseits dem für die Grafschaft zuständigen Kriegs-, Steuer- und Domänenrat Moritz Balcke, nach Tecklenburg zu reisen, um dort genaue Erkundigungen anzustellen. Im Oktober 1728 kam Balcke dieser Aufforderung nach und informierte seine Vorgesetzten anschließend darüber, „woher der Abfall des Wersischen Zolles rühre“. Seine Recherchen hätten ergeben, „daß die Frießländer, so vormahls durch Fürstenau über Nienkercken [Neuenkirchen] die Bauerschafft im Cappelschen undt Wersen nacher Osnabrück gereiset, anjetzo von der Fürstenau gerade auf Osnabrück gehen, auch die Holländer ehedeßen von Nordthorn übers Hellische Fehr durch Schaapen, Beesten, Hopsten, Recke, Cappeln undt Wersen nacher Osnabrück gekommen, aber dermahlen meisten Theils von Linge[n] nach Fürstenau undt von dannen auff Osnabrügge sich begeben. Die Ursache dieser Veränderung rühret daher, daß von der Fürstenau ein Damm gerade nach Osnabrück auffgeworffen, und eine kostbahre Brücke von drey Bogen angeleget, welchen Weg vorhero niemandt der morastigen Örter halber passiren können, undt die Reisende anjetzo deswegen erwählen, weil er gerade auf Osnabrügge zugehet, auch daselbst kein Zoll noch Weggeldt gefordert wirdt.“

Zu einer Entscheidung kamen in der Folge aber weder der König noch seine Kriegs- und Domänenräte in Minden, sodass der Ausgang ungewiss bleibt; es ist zu vermuten, dass der Generalpächter keinen Erfolg mit seiner Eingabe hatte.

Dennoch lassen sich anhand der geschilderten Diskussionen zahlreiche Erkenntnisse über das Funktionieren preußischer Verwaltung in der Grafschaft Tecklenburg gewinnen. Zum einen war es anscheinend gängige Praxis einige landesherrliche Rechte zu verpachten, wodurch die Behörden entlastet wurden und die Einnahmeseite besser planbar war. In diesem Zusammenhang gewinnt die Rolle des Generalpächters eine besondere Bedeutung. Er übte quasi hoheitliche Aufgaben aus, konnte auch durchaus Gewinne erwirtschaften, ging aber das Risiko von Einnahmeausfällen ein. Zum anderen wird deutlich, wie die Kommunikation mit und innerhalb der Kammer funktionierte: Minden war weit weg und es brauchte schon ein wenig Geduld, ehe sich ein Rat auf den Weg machte und im tecklenburgischen Territorium erschien. Also geschah die Kommunikation vorrangig schriftlich. Zugleich muss man davon ausgehen, dass Generalpächter Schloimann sehr genau die preußischen Instanzenzüge kannte. Als sein Gesuch bei den Mindener Kammerräten scheiterte, kontaktierte er umgehend die Zentrale des preußischen Königreichs in Berlin. Er hoffte wahrscheinlich, die verschiedenen Behörden gegeneinander auszuspielen. Ob er damit Erfolg hatte, ist allerdings fraglich.

 

Quellen: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, D 803/Kriegs- und Domänenkammer Minden, Verwaltung der Grafschaften Tecklenburg und Lingen, Nr. 78: Die Zölle in der Grafschaft Tecklenburg, 1725–1730; Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, D 803/Kriegs- und Domänenkammer Minden, Verwaltung der Grafschaften Tecklenburg und Lingen, Nr. 79: Die Zollrolle in der Grafschaft Tecklenburg, 1734–1766.

Die bisherigen Teile der Serie zur Kriegs- und Domänenkammer Minden:

Ein Dickicht voller Alltagskultur: Die preußischen Kriegs- und Domänenkammern in Westfalen im 18. Jahrhundert

Die Preußen wollen umsatteln: Zugochsen statt Pferde lautete die Devise

Erfindergeist in Minden und Ravensberg

Die Preußische Kriegs- und Domänenkammer und der Kampf gegen Viehseuchen

Bergbau in Bierde? Die Mindener Kriegs- und Domänenkammer und die Steinkohle

Die Glocken schweigen. Oder: „Gewitterableiter“ in preußischen Kammerakten

„Diebereyen“, „Zügellosigkeiten“ und „schwache Nerven“: Kriegs- und Domänenräte auf Reisen

Die Ärmel hochkrempeln: Die Kriegs- und Domänenkammer in Minden und die Impfung gegen die Pocken

Schädlich oder unentbehrlich? Die Mindener Kriegs- und Domänenkammer und die Debatte um das Laubsammeln in westfälischen Wäldern

Die Sorgen der Müller. Zur Geschichte der Hollweder Mühle im 18. Jahrhundert

Vormoderne Verkehrssünder: Reiter, Fuhrleute und Schlittenfahrer auf Mindener Straßen am Ende des 18. Jahrhunderts

„Eine wahre Gesundheits-Quelle“. Die Entdeckung schwefelhaltigen Wassers in Fiestel

Kein Herz und eine Seele: Grenzkonflikte zwischen Preußen und Osnabrück

Neue Heimat Ravensberg: Siedler in den Marken

Von Abbrüchen und Anschwemmungen: Wie die Weser die Landschaft im Mindener Land verändert hat

Den Strom bändigen: Die Kriegs- und Domänenkammer und die Weser

Wenn das Pferd beim Nachbarn weidet – Grenzkonflikte zwischen Dahlinghausen und Harlinghausen

Nach der Feier kommt der Frust: Ein Müller und die Landesbehörde

Das ravensbergische „Ziegenproblem“

Krumme Schnäbel und spitze Klauen: Die Bekämpfung von „Raubtieren“ in der Grafschaft Ravensberg

Wie Paulus gegen die Korinther: Jäger, Jagdexzesse und Wilddiebe in der Grafschaft Ravensberg

Ein Land, wo trockenes Heidekraut wächst und in dem sich kein Vogel ernähren kann: Sandverwehungen in der Grafschaft Ravensberg

Beengte Moore. Zur Verknappung und Umnutzung von Gemeinheitsgrundstücken bei Borgholzhausen

Zuständig für alle „Affairen“: Die Mindener Kriegs- und Domänenkammer und die Grafschaft Tecklenburg