Timo Luks
Im Archiv der Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen befinden sich 6.600 Berichte zu verschiedenen Aspekten des Alltagslebens. Die zwischen 1951 und 1982 verfassten Berichte sind der Ertrag einer volkskundlichen Erhebungs- und Dokumentationsmethode, die in den 1950er Jahren nach skandinavischem Vorbild in Westfalen etabliert wurde. Dabei wurden „Gewährspersonen“ Fragelisten zu bestimmten Themen zugesandt – mit der Bitte um längere zusammenhängende Ausführungen, die vor allem eigene Erlebnisse und Beobachtungen schildern sollten.
Frageliste 42 – aus dem Jahr 1974 – widmete sich dem Thema „Fahrende Leute“. Die Liste betonte, dass die Kategorie mehrere Gruppen umfasste, und zu jeder erbat man gesonderte Schilderungen. Die Kommission interessierte sich für „1. Hausierer, 2. Flicker u. ä. (Schirmflicker, Wannenflicker, Scherenschleifer, Topfflicker, Klüngelkerle), 3. Leute, die für Unterhaltung sorgten (Bärentreiber, Drehorgelmänner, Moritatensänger, sonstige Musikanten), 4. Zigeuner, Wahrsager, Heilkundige, Bettler, auch wandernde Handwerksburschen.“. Damit war der Ort markiert, an dem man Mitte der 1970er Jahre „Zigeuner“ sah.
In den 59 eingegangenen Berichten finden sich erwartbare Klischees und abwertende Charakterisierungen, die teilweise Echo der rassistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus sind, gleichzeitig aber auf ältere Vorstellungen und Praktiken der Ausgrenzung von Sinti und Roma verweisen – eine Bezeichnung, die in keinem der Berichte verwendet wird.