Die Schlacht bei Exter. Politische Unruhen aus dem Kreis Herford vor dem Sondergericht in Bielefeld

26.04.2022 Niklas Regenbrecht

SA-Treffen in der Gaststätte Knöner nach 1933. Es zeigt wohl keinen „Schlachtteilnehmer“. Foto: Geschichtswerkstatt Exter.

Annegret Arnhölter

Vor 90 Jahren prägten politische Unruhen das Tagesgeschehen. Nationalsozialisten provozierten den Rechtsstaat mit uniformierten SA-Aufmärschen und Hetzparolen. Sozialdemokraten versuchten dagegenzuhalten, organisierten sich im Reichsbanner – einem politischen Verband zur Wahrung der Demokratie. Gegenseitige Drohgebärden und Prügeleien waren an der Tagesordnung. Der von Hindenburg kommissarisch eingesetzte Reichskanzler von Papen agierte hilflos ohne eigene Mehrheit mit Notverordnungen, wie z. B. mit der Verordnung „gegen den politischen Terror“ vom 9. August 1932, die die Einführung von Sondergerichten an den Landgerichten vorsah. 

Herforder Zeitungen jeder Couleur berichteten am 29. August 1932 ausführlich über einen Prozess des Sondergerichts am Landgericht Bielefeld. Besonders lebendig ist die Schilderung des Verfahrens vom Berichterstatter der ‚Volkswacht – Organ der Sozialdemokratie für das östliche Westfalen‘. In dem Artikel „Die ‚Schlacht‘ bei Exter vor dem Sondergericht“ hebt er  hervor, dass dieses Mal, anders als üblich, nicht die Vertreter der Arbeiterklasse sondern drei Nazigrößen vor Gericht standen, die des Landfriedensbruchs und schwerer Körperverletzung angeklagt wurden.

Verhandelt wurden am 27. August 1932 vor dem Sondergericht mehrere politische Zwischenfälle aus dem Kreis Herford, einer spielte sich in Exter und an Exters Grenze in Schwarzenmoor am 19. April ab: Die Sozialdemokratische Partei hatte zu einer Kundgebung in die Gastwirtschaft Knöner in Exter eingeladen. Zum Schutz des Vortragenden machten sich etwa 50 bis 60 Angehörige des „Reichsbanner“ zu Fuß von Herford, Salzuflen und Schwarzenmoor auf den Weg nach Exter. Ebenfalls aus Herford hatten sich über 20 Angehörige der SA per Fahrrad auf den Weg gemacht, um an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Bereits auf dem Hinweg kam es zu Drohungen, so dass die Stimmung aufgeheizt war, als man in Exter ankam.

Wahrscheinlich waren es die Wirtsleute, die den örtlichen Polizisten riefen, um eine ‚Saalschlacht‘ zu verhindern. Der Ortsgendarm entschärfte die Situation, indem er die Versammlung kurzerhand auflöste. Begründung: Sie sei nicht rechtzeitig angemeldet, daher nicht genehmigt und könne deshalb nicht stattfinden. Die Reichsbanner-Leute kehrten um, während die Nationalsozialisten erst noch verweilten und bei einem Bier über ihr weiteres Vorgehen berieten.

Mit ihren Fahrrädern hatten sie die vorausgegangene Gruppe bald eingeholt. In einer Mergelkuhle nahe der jetzigen Autobahnauffahrt Herford Ost kam es zur tätlichen Auseinandersetzung. Zunächst bewarfen sich die gegnerischen Parteien mit Steinen, dann prügelten sie aufeinander ein. Es kam auf beiden Seiten zu Verletzungen, Spazierstock und Gummiknüppel kamen zum Einsatz. Nach einigen Minuten war der Spuk vorbei, die SA reklamierte den Sieg für sich.

Bericht im Herforder Kreisblatt, 29.08.1932.

Zur Gerichtsverhandlung erschienen zahlreiche Zeugen beider Parteien, wobei sich die Nationalsozialisten zur Einschüchterung in voller Uniform präsentierten. Die Nebenklage der Reichsbannerkameraden wurde von Dr. Davidsohn aus Herford vertreten. Insgesamt gestaltete sich die Zeugenvernehmung schwierig. Im Gerichtssaal herrschte Unruhe, da Zuschauer beider Parteien lautstark ihren jeweiligen Unmut äußerten.

Den Hergang der Prügelei beschrieben die Parteien völlig unterschiedlich, die eigenen friedliebenden Absichten wurden den Aggressionen der Gegner gegenübergestellt. Am Ende hielt der Staatsanwalt zwei der SA-Männer der gefährlichen Körperverletzung für überführt und plädierte auf vier bzw. sechs Monate Gefängnis, der Reichsbanner-Mann mit dem Gummiknüppel sollte für drei Monate ins Gefängnis.

Der Richter hingegen hielt schweren Landfriedensbruch bei den beiden angeklagten SA-Leute für nachgewiesen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und verhängte Freiheitsstrafen von acht bzw. drei Monaten Gefängnis. Der Angeklagte des Reichsbanner erhielt wegen unbefugten Führens einer Waffe (Gummischlauch) einen Monat Gefängnisstrafe. Außerdem musste der Spazierstockschläger 50 Mark Schmerzensgeld an den verletzten Reichsbanner-Mann zahlen.

Das Urteil des Sondergerichts war sofort rechtsgültig, Berufung ausgeschlossen. Der Berichterstatter der Volkswacht schreibt: „Die Verurteilten wurden sofort in Haft geführt. Mitsamt ihrer schönen Uniform! Ihr schüchternes „Heil Hitler“ ging unter in den Freiheitsrufen, der ihnen aus dem Zuhörerraum antwortete.“

Festzustellen ist, dass sich der Richter am Sondergericht im Jahr 1932 bemühte, Recht und Ordnung wieder herzustellen und nach den Grundsätzen der Justiz zu handeln. In dieser turbulenten Zeit war es nicht leicht, die Übersicht zu behalten.

 

Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 120, 16.03.2022, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.

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