Was ist das? – Das „Ding“ aus dem kult_Vreden

19.11.2021 Niklas Regenbrecht

Das "Ding" aus dem kult in Vreden, Vorderseite. Foto: Flemming Feß, Kreis Borken.

Bernd Thier

Jedes Ding braucht (s)einen Namen! Jeder Gegenstand mit dem man in irgendeiner Art und Weise konfrontiert wird, den man besitzt oder verwendet bzw. mit dem man sich beschäftigen darf, möchte oder muss, hat in einer Kategorie des Wissens, der Erfahrung und des logischen Denkens einen festen Platz und folglich eine eindeutige Bezeichnung. Jeder weiß aber, dass dies nicht immer funktioniert, zu komplex und vielfältig sind nun mal die Dinge, die uns im Alltag umgeben. Man behilft sich bei solchen zeitweise nicht benennbaren Objekten mit allgemein gebräuchlichen Floskeln, die die aktuelle Unwissenheit erträglich machen. Mit einem solchen „Ding“, „Teil“, „Dingsbums“ oder „Nupsie“ hat jede und jeder fast täglich zu tun. Dies betrifft aber vor allem Objekte der Gegenwart und des heutigen Alltags. Wie viel schwieriger ist nun die Namensfindung bei jahrhundertealten „Dingen“, deren Geschichte und Funktion im Laufe der Zeit verloren gegangen sind?

Was ist das?

In der ersten Ausgabe von Graugold, dem Magazin für Alltagskultur (2021, S. 98–99) wurde ein „Ding“, ein kleines auf den ersten Blick unscheinbares Objekt aus dem kult in Vreden, mit der Frage vorgestellt: „Was ist das?“ Die Leiterin des Hauses, Corinna Endlich, erhoffte sich einen konkreten Namen für ihr Objekt mit den „kryptischen“ Inschriften.

Alter, Herkunft, Funktion und Bezeichnung waren unbekannt, das Objekt seiner ehemaligen Alltagsumgebung entrissen. In der Archäologie werden derartige Stücke als Ufos bezeichnet (Unbekannte Fund-Objekte), die bei der Fundauswertung die Köpfe der Bearbeiter zum Rauchen bringen, deren Funktion und Bedeutung dann aber oft aufgelöst werden können. Meist handelt es sich um seltene oder sehr fragmentarische Relikte, zu denen Parallelen gefunden werden können, fragt man nur die richtigen Kolleg:innen.

Das "Ding" aus dem kult in Vreden, Rückseite. Foto: Flemming Feß, Kreis Borken.

Das „Ding“

Das „Ding“ aus dem kult in Vreden ist anders. Dieser Beitrag entstand in dem Wissen, dass am Ende der Recherche kein eindeutiger präziser Begriff oder Name stehen wird, keine feststehende griffige Bezeichnung oder Umschreibung, die es eindeutig charakterisiert und wissenschaftlich „begreifbar“ macht. Die Komplexität ist kaum in Worte zu fassen, die nachfolgenden – persönlich eigentlich unbefriedigenden – Ausführungen können daher nur ein erster Aufschlag sein, dieses Objekt genauer vorzustellen, zu beschreiben, in Teilen zu interpretieren, bestimmte Zusammenhänge herzustellen bzw. vor allem auszuschließen sowie weitere Forschungen anzuregen.

Die auf beiden Seiten mit Gravuren versehene rechteckige Kupferplatte (7,0 x 11,8 x 0,2 cm) ist – ohne exakte Herkunftsangabe – bereits vor 1961 in die Sammlung des späteren Hamaland Museums in Vreden gekommen. Schnell trug sie den Namen „Amulett“. Zwischen 1961 und 1965 beschäftigte sich Dr. Robert Nissen, ehemaliger Direktor des Landesmuseums in Münster, der darüber veröffentlichen wollte, ausgiebig mit der Platte. Aufgrund des Mangels an sicheren Erkenntnissen sah er von einer Veröffentlichung ab. Werner Ueffing unternahm ab 1974 einen neuen Versuch, korrespondierte mit verschiedenen Institutionen, suchte in der Literatur nach Vergleichen und kam 1976 zu dem Schluss, dass es sich um ein Pest-Amulett aus der Zeit der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts handeln könnte. Veröffentlich hat er seine Ergebnisse hierzu wohl nie.

Eine genaue Beschreibung des Objektes soll die enormen Schwierigkeiten der Interpretation vor Augen führen. Wichtig ist hierbei, dass wir uns hierfür tief in die Denkweise der Menschen der Vergangenheit begeben müssen, die im Alltag geprägt war von religiösem Glauben auf der einen und magischem Denken auf der anderen Seite. Viele der nachfolgenden Charakterisierungen sind für heute lebende und rational denkende Menschen, besonders für Wissenschaftler, nicht unmittelbar nachvollziehbar und werden im Bereich der Esoterik verortet. Es muss daher betont werden, dass dies nicht die Interpretationen des Autors sind, sondern Vorschläge für die „Lesung“ und die Entschlüsselung der Inschriften in der Denkweise vermutlich des 17. Jahrhunderts, aus dem die Kupfertafel tatsächlich stammen dürfte, wie bestimmte Elemente der Gravuren wahrscheinlich machen.

Das "Ding" aus dem kult in Vreden, Rückseite, Ausschnitt. Foto: Flemming Feß, Kreis Borken.

Eine Beschreibung der Inschriften und Gravuren

Die eine Seite, die man als Vorderseite ansprechen könnte, trägt mittig die mit einem Kreuz überschriebenen Buchstaben IHS. Darunter befinden sich zwei „Zeichen“ oder Symbole, die in einer fortgeführten einzelnen Linie jeweils fünf bzw. vier Kreise bilden.

Die als Rückseite anzusehende Fläche trägt in neun Zeilen lateinische Buchstaben (Zeile 1) sowie "kryptische" Zeichen und Symbole (Zeile 2–9). Alle Inschriften sind sehr präzise graviert, was an einen Kupferstecher, Gold- oder Silberschmied oder Graveur als Hersteller denken lässt. Alle Zeichen sind korrekt und nicht spiegelbildlich abgebildet, was eine Verwendung als Druckplatte für einen Kupferstich ausschließt.

Zeile 1 umfasst – getrennt durch winzige Punkte und größere Kreuze – 20 Buchstaben und zwei Monogramme:

IEHOVAH • P + F + S + IHS • (MARIA) • (IOS) • C + M + B + I + N + R + I +

Fast in der Mitte findet sich das gleiche IHS Symbol mit dem Kreuz wie auf der Vorderseite.

In der zweiten Zeile erscheinen 14 Symbole, symbolhafte Zeichen und drei Buchstaben (R, Z, Z), die allerdings in zwei Fällen durch zusätzliche Striche oder „Schlängel“ ergänzt wurden. Kein Symbol taucht doppelt auf, manche erinnern entfernt an fremdartige Buchstaben, einige bestehen lediglich aus zwei bis vier Kreisen, die mit unterschiedlichen Linien verbunden sind.

Auf der linken Seite folgen die Zeilen 3 bis 9: Einem vorstehenden Symbol folgen jeweils weitere „kryptische“ Zeichen, die teilwiese miteinander legiert oder durch Linien verbunden sind. Nur ein Zeichen ist doppelt vorhanden (Zeile 4 Zeichen 1 und Zeile 5 Zeichen 2), keines entspricht einem der Zeichen in Zeile 2.

Der Rest der Tafeln ist leer, es scheint so, als ob dort Platz gelassen wurde für weitere Gravuren, die dann nicht erfolgt sind. Möglicherweise haben wir es daher mit einem unfertigen „Ding“ zu tun.

Leseversuch – Die erste Zeile

Das IHS der Vorderseite ist als Jesus-Monogramm aufzulösen, also ein christliches Symbol. Auf die beiden Zeichen darunter wird noch zurück zu kommen sein.

Die Buchstaben und Monogramme der ersten Zeile der Rückseite sind, in Kenntnis religiöser Andachtsgrafik und Medaillen des 17. und 18. Jahrhunderts, problemlos aufzulösen:

IEHOVAH • P + F + S + IHS • MARIA • IOS • C + M + B + I + N + R + I +

IEHOVAH = Gott (Vater)

P + F + S = Pater & Filius & Spiritus [Sanctus] (Dreifaltigkeit: (Gott) Vater, (Gottes)-Sohn (Jesus) und Hl. Geist)

IHS = Jesus (Gottes Sohn)

MARIA (als Monogramm) = Maria (Mutter Jesu)

IOS (als Monogramm) = Josef (Vater Jesu)

C + M + B = Caspar & Melchior & Balthasar (= Hl. drei Könige)

I + N + R + I + =  Jesus Nazarenus Rex Iudaeorum (Jesus von Nazaret, König der Juden)

Die Aufzählung der Heiligen Familie (Maria, Josef, Jesus), Gott Vater, Heiliger Geist und der Heiligen drei Königen in den jeweiligen typischen und üblichen Abkürzungen der Zeit verweist diese erste Zeile in den Bereich der Volksfrömmigkeit. Die Erwähnten konnten allgemeinen Schutz gewähren, in speziellen Fragen „angerufen“ werden oder einfach als religiöse Schutzmittel die Wirkmächtigkeit der anderen Symbole verstärken. Ob die teilweise mehrfachen Erwähnungen (Gott Vater zweimal, Jesus dreimal und einmal auf der Vorderseite), die Anzahl der winzigen Punkte (4) oder der Kreuze (10) eine Rolle spielen, ist nicht abzuleiten. Auch die Tatsache, dass das I in IEHOVAH größer gestaltet ist, als der Rest der Buchstaben, könnte eine Bedeutung haben, ebenso wie das Kreuz im C für Caspar. Vielleicht hatte der Graveur es aber zunächst nur vergessen und dann nachträglich geschickt eingefügt.

Leseversuch – Die zweite Zeile

Die zweite Zeile umfasst 13 alchemistische Zeichen (Charaktere / Merkzeichen) und daher einen vollständig verschlüsselten Text. Alle Symbole sind verschieden, es könnte daher auch zusammengenommen ein Schlüsselwort für 13 Buchstaben sein. Nimmt man die Buchstaben der ersten Zeile und fasst die vollständigen Wörter und Monogramme zusammen, ergibt sich eine Liste von 14 „Einheiten“, was leider nicht zur Auflösung einer deckungsgleichen kryptografischen Entschlüsselung passen würde. Lässt man dagegen das zweite I in INRI wegen der Doppelung weg, würde sich eine Zählung 13:13 ergeben. Allerdings scheint diese Interpretation eher unwahrscheinlich, denn das I in IEHOVAH wäre dann ebenfalls doppelt vorhanden. Ganz abwegig ist eine solche Auflösung nicht, denn es gab derartige alchemistische Alphabete, z.B. nach Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1498–1535). Die Zahl 13 wurde und wird oft als Unglückszahl verstanden, allerdings werden in der Bibel im 2. Buch Mose (Kap. 34,6–7) auch 13 Eigenschaften Gottes angeführt. Ob diese allerdings durch 13 alchemistische Zeichen versinnbildlicht werden sollten, ist fraglich.

Ein Blick in die einschlägigen Lexika zu alchemistischen, astrologischen und pharmazeutischen Zeichen und Symbolen, von denen es tausende seit dem Mittelalter gab, lässt zumindest bei drei Symbolen eine Auflösung möglich erschienen: Zeichen 6 (drei Punkte) steht u.a. für aqua vitae (Lebenswasser) aber auch für sol alcali (Laugensalz), das Z mit einem Bogen (Zeichen 9) kann für sal ammoniacum (Salmiak) und das 13. Zeichen (4 Punkte mit einem Kreuz) für tigillum (Tiegel) stehen. Dies führt tief hinab in die alchemistische Gedankenwelt des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Jeder Alchimist verwendete hierbei allerdings seine eigenen Zeichen und Symbole, die für Substanzen, Geräte, Orte, Zeiten, Gestirnkonstellationen, Tätigkeiten (Transmutationen, wie die Destillation, Sublimation oder Solution) und viele andere Dinge standen. Die 13 „kryptischen“ Symbole sind daher als steganographische und spagyrische Zeichen zu verstehen.

Diese zweite Zeile könnte daher einem Eingeweihten einen alchimistischen Vorgang mit bestimmten Substanzen beschreiben. Ob hier die erste Zeile mit den christlichen Symbolen und Namen die Wirkmächtigkeit verstärken sollte, muss offenbleiben.

Das "Ding" aus dem kult in Vreden, Rückseite, Ausschnitt. Foto: Flemming Feß, Kreis Borken.

Leseversuch – Die sieben Planetenzeichen

Die sieben weiteren Zeilen (Zeile 3–9) umfassen sowohl alchemistische als auch zusätzlich astrologische Charaktere (Merkzeichen). Das erste Zeichen steht immer für einen Planeten, dem nach den sieben planetaren Prinzipen jeweils in der Alchemie auch ein Metall zugewiesen wird:

Saturn      plumbum         Blei
Jupiter     stannum           Zinn
Mars        ferrum               Eisen
Sonne      aurum               Gold
Venus      cuprum             Kupfer
Merkur   argentum vivum    Quecksilber
Mond       argentum          Silber

Interessanterweise sind die Planeten auch in der nummerisch richtigen Reihenfolge aufgeführt, denn neben einem Metall werden ihnen auch eine Farbe (Saturn schwarz / Jupiter blau / Mars rot / Sonne gelb / Venus grün / Merkur violett und Mond weiß) und eine Ordnungszahl zugeordnet: Saturn 3 / Jupiter 4 / Mars 5 / Sonne 6 / Venus / Merkur 8 und Mond 9. Diese Zahlen dienten in astrologischen Zahlenquadraten verteilt bei bestimmten Konstellationen wiederum zur Zahlensymbolik. Nicht vorhanden ist das Zeichen für die Erde, die damals nicht als Planet verstanden wurde, oder die zwölf Tierkreiszeichen, die man bei einem rein astrologischen Zusammenhang erwarten würde, der somit für die Kupfertafel nicht vorliegen dürfte.

Leseversuch – Sigillenmagie?

Allerdings verweisen die beiden Symbole auf der Vorderseite unter dem IHS Zeichen (für Jesus Christus) möglicherweise auf bestimmte Planetenkonstellationen. Die vier bzw. fünf Kringel (Kreise) könnten für bestimmte Planeten- oder Sternenkonstellationen stehen, der zentrale „Stern“ wäre dann der darüber angegebene Sohn Gottes (Jesus) im Himmel.

So sind z. B. auf den Planetentafeln mit den Zahlenquadraten des Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim jedem Planeten auch zwei Zeichen oder Charaktere zugeordnet, nämlich das „ihrer Intelligenz“ und das „ihres Dämons“, die wiederum in der Gestaltung sehr ähnlich den beiden Zeichen unter dem IHS-Symbol sind.

Sie erinnern aber ebenfalls stark an die sogenannte Sigillenmagie. Mit Sigillen (von sigillum, lat. Bildchen /Siegel) sind graphische Symbole aus ligierten Buchstaben gemeint, aus denen sich ebenfalls eine Art Geheimschrift entwickelt hat, die allerdings nicht zur Übermittlung geheimer Botschaften dienten sollten, sondern deren Verfertigung bestimmten Personen entweder schaden oder diese schützen sollte.

Leseversuch – Die sieben Planeten und ihre Charaktere

Hinter den sieben Planetensymbolen stehen jeweils ein bis fünf (sechs?) weitere wiederum wohl alchimistische Zeichen, die teils legiert und überlappend dargestellt wurden. Das Zeichen für Jupiter erscheint als erstes Zeichen hinter der Sonne noch einmal, was für eine Planetenkonstellation stehen könnte. Das erste Zeichen hinter jenem für den Saturn könnte, wie das zusammenhängende lange Zeichen hinter dem Mars, für den Vorgang des Röstens (calcinare) stehen. Das wie eine Art stilisierter Phallus aussehende längliche Zeichen hinter dem Zeichen der Venus dürfte tatsächlich für retorta (Retorte), cornuta (Retorte) oder receptaculum (Destillationsglas), also eine gläserne Retorte aus dem Alchimistenlabor stehen.

Demnach wären die Symbole hinter den Planetenzeichen möglicherweise nicht auf bestimmte Elemente (Substanzen) zu beziehen sondern auf Geräte und Tätigkeiten während einer alchimistischen Transmutation. So könnten die 13 Zeichen der zweiten Zeile die „Zutaten“ (Ingredienzien), die sieben Metalle in der richtigen Reihenfolge der Planeten bestimmten Tätigkeiten zugeordnet, eine Art alchemistisches Rezept aufschlüsseln.

Auffällig ist aber, dass die eigentlich wichtigsten drei Substanzen (Schwefel, Merkur und Salz) fehlen (außer dem Zeichen für Merkur), ebenso die extrem wichtigen Zeichen für die vier Elemente (Feuer, Wasser, Luft und Erde), symbolisiert durch verschiedene Dreiecke.

Das „Ding“ und seine Interpretation

Soweit die Beschreibung und der erste Versuch einer Art „Lesung“ der Zeichen, Buchstaben und Symbole auf der kupfernen Tafel aus Vreden. Die Lektüre der vorstehenden Zeilen dürfte mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben haben.

Werner Ueffing sprach die Tafel als Pestamulett an. Bei derartigen rein christlichen Amuletten war die "Anrufung" der Heiligen üblich. Pestamulette tragen daher den stark abgekürzten Benedictus- und oder auch den Zacharias-Segen, die Abbildung der Maria, des Benedictus oder eben auch der besonderen Pestheiligen Sebastian und Rochus. Alle diese Elemente fehlen bei der Kupfertafel. Eine „Mischung“ mit Elementen der Alchemie oder der Astronomie oder einer anderen okkulten Geheimwissenschaft (beispielsweise fehlt die jüdisch-hebräische Kabbala auf dem vorliegenden Objekt!) ist aber eher ungewöhnlich. Allerdings sollten Buchstabenkombinationen mit religiöser und magischer Bedeutung die schützende Kraft von Amuletten steigern. Aber dies waren dann christliche „Zutaten“ auf magischen Objekten und nicht alchemistische Elemente auf christlichen Schutzmitteln.

Gib mir einen Namen!

Wie nennt man nun das „Ding aus Vreden“? Es handelt sich um eine „Kupferplatte mit Zeichen und Symbolen aus christlichen, alchemistischen und astrologischen Zusammenhängen“. Die Tafel nun als Amulett, das vor Unheil, meist vor bestimmten Widrigkeiten des Lebens wie Krankheiten (Pest, Cholera), Vergiftungen, oder Verletzung im Krieg schützen sollte, oder als Talisman zu bezeichnen, der Glück im allgemeinen oder in Bezug auf einen besonderen Fall bringen sollte, fällt schwer. Handelt es sich um eine Beschwörungstafel für das Glück oder Unglück einer bestimmten Person oder um das „Notiz- oder Rezeptbuch“ eines Alchemisten? Da Papier bekanntlich sehr vergänglich ist, war der Weg über eine haltbare Metallplatte eine logische Konsequenz für eine dauerhafte „Sicherungskopie“ der wichtigen Daten. Parallelen gibt es möglicherweise, mir – als vollkommenem Laien auf dem Gebiet der historischen Alchemie – bekannt geworden sind sie aber nicht. Ist das „Ding“ daher ein Unikat?

Sollte die Kupfertafel in einem Transmutationsprozess selbst z.B. in Silber oder Gold umgewandelt werden? Sind die Buchstaben- und Zeichenfolgen der Schlüssel zu kryptografisch extrem verschlüsselten geheimen und vermutlich nicht mehr erhaltenen Nachrichten?

All dies wird wohl kaum ohne das damalige Wissen desjenigen, der die Tafel gravierte oder gravieren lies, zu lösen sein. Leider können wir ihn nicht mehr fragen. Daher wird man sich bei dem Namen des „Dings“ aus Vreden erst einmal mit den Beschreibungen des Vorgefundenen behelfen müssen.

Alle zuvor geäußerten Überlegungen sollen als erste Diskussionsgrundlage dienen, denn vermutlich ist jeder einzelne Punkt, mit anderen Augen und mit anderem wissenschaftlichen Hintergrundwissen betrachtet, auch vollständig anders zu interpretieren und zu deuten. Vielleicht kennt jemand nun doch eine Parallele zu der Kupfertafel und kann ihr daher einen plausiblen und eindeutigen Namen geben?

 

Weiterführende Literatur in die Wunderwelt der Alchemie und benachbarter „Wissenschaften“:

Heinrich Cornelis Agrippe´s von Nettesheim Magische Werke samt den geheimnisvollen Schriften des Petrus von Abano, Pictorius von Villingen, Gerhard von Cremona, Abt Tritheim von Spanheim, dem Buche Arbakel, der sogenannten Heil. Geist-Kunst und verschiedener anderer, 5 Bände, 4. Auflage, Wien o.J. (1921)
G. W. Geßmann, Die Geheimsymbole der Alchemie, Arzneikunde und Astrologie des Mittelalters, 2. Auf. Ulm 1959.
W. Schneider, Lexikon alchemistisch-pharmazeutischer Symbole, Weinheim 1962.
S. Seligmann, Die magischen Heil- und Schutzmittel aus der unbelebten Natur mit besonderer Berücksichtigung der Mittel gegen den Bösen Blick, Stuttgart 1927.
A. von Loehr, Astrologie in der Numismatik, in: Berliner Münzblätter 52. Jg, Nr. 349/350, 1932, 405–411.
A. Bauer, Ueber einige alchemistische Medaillen, in: Wiener Numismatische Zeitschrift XXIX, 1897, 323–328.
L. Hansmann / L. Kriss-Rettenbeck, Amulett und Talisman. Erscheinungsformen und Geschichte, München 1966.
M. Ohm, „Allerhand Sigillen“ und „Eine Müntz von Alchemistischem Gold.“ Medaillen-Amulette aus der Kunstkammer der Württembergischen Herzöge, in: Geldgeschichtliche Nachrichten 48, 2013, Heft 270, 313–324.
P. Schramm, Die Alchemisten. Gelehrte – Goldmacher – Gaukler, Wiesbaden 1984.
G. F. Hartlaub, Der Stein der Weisen. Wesen und Bildwelt der Alchemie, München, 1959.
S. Klossowski de Rola, Alchemie. Die geheime Kunst, Zürich 1973.

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