„Zur Beruhigung! Nichts passiert“. Eine Karte des Eilnachrichtendienstes der Deutschen Reichspost 1944

21.03.2023 Niklas Regenbrecht

Eilnachricht, Lebenszeichen von Mayr, Anni, 19.6.44, Textseite.

Niklas Regenbrecht

Der Text der Postkarte ist so knapp gehalten, dass er hier in die Artikelüberschrift passt: „Zur Beruhigung! Nichts passiert Gruss Anni“. Zugelassen waren laut Anweisung auch nur zehn Worte. Diese sollten in Klartext gehalten sein, für verschlüsselte Nachrichten sollten Karten wie diese ebenso wenig dienen, wie für ausführliche Berichte. Es handelt sich um eine „Eilnachricht“ aus dem Bombenkrieg im Deutschen Reich oder wie es die Textseite in fetten roten Buchstaben festhält, um ein „Lebenszeichen.“

Im Zuge der intensivierten Luftangriffe auf deutsche Städte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges dienten diese Karten der Ersatzkommunikation. Das – im privaten Rahmen noch nicht flächendeckend verbreitete – Telefonnetz unterlag zunehmenden Einschränkungen und Zerstörungen, auch der reguläre Postversand litt unter Störungen. Ausbombungen und Evakuierungen machten es nötig, dass Betroffene ihre Angehörigen schnell über Gesundheitszustand und über neue Adressen und Erreichbarkeiten informieren konnten.

Die aufgedruckten Anweisungen „Deutlich schreiben!“ und die Forderung nach „Klartext“ dienten jedoch nicht nur der Sicherstellung einer schnellen Versandabwicklung durch die Post, sie deuten auch darauf hin, dass die Inhalte überprüft wurden.

Die Eilnachricht ist an Herrn B[ernhard] Kramwinkel in Recklinghausen adressiert.

Diese Karte wurde am 19. Juni 1944 von einer Frau Anni Mayr (geb. Kramwinkel) aus Naumburg an ihren Vater Bernhard Kramwinkel in Recklinghausen gesendet. Sie hat ein Format von 10x13,5cm, ist allerdings aus dünnerem Papier als eine typische Postkarte gefertigt. Der Vordruck mit signalroter Schrift und Rahmung wurde mit Tinte ausgefüllt. In diesem Fall galt es nicht, über eine neue Adresse zu informieren, sondern lediglich die eigene Unversehrtheit nach einem Bombenangriff auf Naumburg zu melden. Über den Nachlass der Familie Kramwinkel fand die Karte den Weg ins Archiv.

Das System des Eilnachrichtendienstes und damit auch dieser Vordruck wurde im Dezember 1943 von der Deutschen Reichspost eingeführt. Die Karten wurden in den Postämtern (und in „Parteidienststellen“) kostenlos ausgegeben und mussten direkt dort ausgefüllt werden. Wie auch bei der Feldpost erfolgte der Versand portofrei. Mit einer gleichlautend in vielen Zeitungen erschienenen Pressemitteilung wurde Mitte Dezember 1943 unter der Überschrift „Nach Terrorangriffen“ die Funktionsweise erklärt:

„Der Reichspostminister hat einen Eilnachrichtendienst eingerichtet, der der Bevölkerung eines Luftnotgebietes während der ersten vier Tage nach einem schweren Luftangriff Gelegenheit gibt, ihren Angehörigen auswärts auf einfache und schnelle Weise ein Lebenszeichen zu übermitteln und der außerdem von auswärts Eilnachfragen nach der Anschrift von Angehörigen in den Luftnotgebieten ermöglicht. […]

Ferner werden an den Schaltern der Postämter Eilauftragskarten, die zur Prüfung einer Postanschrift im Luftnotgebiet dienen sollen, für diejenigen Orte ausgegeben, die im Wehrmachtsbericht als vom Luftterror betroffen, besonders genannt werden, jedoch erst am vierten Tage nach Veröffentlichung des Berichtes.“

Zeitungsmeldung „Nach Terrorangriffen. Eilnachrichtendienst der Deutschen Reichspost“, in: Westfälische Zeitung. Bielefelder Tageblatt, 13.12.1943.

 

Quellen:

Eilnachricht an B. Kramwinkel, 19.06.1944, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, K03128.0025.

Nach Terrorangriffen. Eilnachrichtendienst der Deutschen Reichspost, in: Westfälische Zeitung. Bielefelder Tageblatt, 13.12.1943. https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/2277318