Ein Bild: Kindtaufe in Münster-Nienberge
Christiane Cantauw
Ich habe den Internationalen Hebammentag (5. Mai) zum Anlass genommen, in unserem Bildarchiv nach Fotografien von Hebammen zu recherchieren. Für diesen Blog-Beitrag habe ich ein Foto ausgesucht, das 1954 von Adolf Risse, einem Pressefotografen und Archivmitarbeiter aus Münster-Nienberge, aufgenommen wurde.
Es zeigt eine Gruppe von fünf Personen, vor einem Gebäude, bei dem es sich vermutlich um den Baumberger Hof, eine Nienberger Gaststätte, handelt. Zu dem Foto sind von Adolf Risse folgende Kontextinformationen überliefert: „Die Großmutter und Patin trägt nach der Taufe das Kind. Die Hebamme Maria H. richtet. Links: Herr S. (Vater des Kindes).“
Auf der Basis der Gewährsleuteberichte in der Sammlung der Volkskundlichen Kommission lassen sich weitere Hypothesen formulieren: Wenn die Mutter der Kindsmutter (also die Oma) die erste Patin gewesen ist, so wird es sich bei dem Täufling um ein Mädchen gehandelt haben. Bei dem Herrn rechts im Bild, mit Zylinder und Gehrock, handelt es sich vermutlich um den Vater des Kindsvaters, der in seiner Eigenschaft als zweiter Pate abgebildet ist.
In Hinblick auf den Jungen im Vordergrund, der die Taufkerze trägt, kann man vermuten, dass er entweder mit dem Täufling verschwistert war oder zumindest in einem nahen Verwandtschaftsverhältnis stand.
Die Hebamme und die Taufpatin sind offenbar eifrig darauf bedacht, das Kind vor Zugluft zu schützen. Dies – und die Abwesenheit der Kindsmutter – weist darauf hin, dass es sich um einen erst wenige Tage alten Säugling handelte. Dies kann auch als Indiz für die Konfession der Anwesenden gewertet werden, da in den 1950er Jahren im katholischen Milieu Taufen oft bereits wenige Tage nach der Geburt stattfanden. Aus gesundheitlichen Gründen, aber auch deshalb, weil sie noch nicht wieder eingesegnet worden waren, konnten die Kindbetterinnen an den Taufen nicht teilnehmen.
Ihre Stelle nahm die Hebamme ein, deren Stellung in der Gesellschaft – das zeigt auch dieses Foto – eng verflochten war mit ihrem Wissen nicht nur um die Geburt, sondern auch um die Gesundheitspflege von Säuglingen. Die Hebamme steht nicht in der ersten Reihe. Ihre Kompetenz und ihr Wissen geben ihr aber das Recht, sich aus der hinteren Reihe aktiv ins Geschehen einzubringen.