Ein Museumsdepot zwischen städtischer Geschichte, Bahngleisen und neuer Stadtverwaltung.

07.02.2020

Um optimale Bedingungen für das Depot zu schaffen, wurden Bodenproben genommen und die Zwischendecke verstärkt. Foto: Christiane Cantauw/LWL.

Ein Museumsdepot zwischen städtischer Geschichte, Bahngleisen und neuer Stadtverwaltung.

Das Depot des Lippstädter Stadtmuseums im Fokus

Außenansicht des alten HELLA-Gebäudes. Hier soll die Sammlung des Museums ab dem nächsten Jahr gelagert werden. Foto: Christiane Cantauw/LWL.

Annika Schütt, Xenia Evsikova, Marid Ramforth und Karen Vogelsang

Für die Masterstudierenden der WWU Münster stand bei ihrer zweiten Exkursion nach Lippstadt das geplante neue Depot des Stadtmuseums im Mittelpunkt. Bereits bei einem ersten Besuch im Dezember, als die Museumsleiterin Dr. Christine Schönebeck der Gruppe einen detaillierten Einblick in die Arbeit in einem Museum gab, wurde die prekäre Lage der Sammlung deutlich: alle historischen Objekte, die zur Sammlung des Stadtmuseums gehören, befinden sich entweder in einem der Räume des Hauses, in der Ausstellung oder auf dem Dachboden des Museums. Im neuen Depot soll die umfangreiche Sammlung systematisch und unter optimalen Bedingungen hinsichtlich Klima, Temperatur, Lichtschutz usw. sachgerecht gelagert werden. Dadurch wird die Bewahrung der einmaligen Objekte und Kernstücke des Museums für kommende Generationen sichergestellt. Das geplante Depot befindet sich unweit des Lippstädter Bahnhofs in einem alten Industriegebäude mit historischer Bedeutung. Denn von dort aus, wo Ende des 19. Jahrhunderts noch Lampen für Kutschen hergestellt wurden, entwickelte sich die Firma HELLA, die heute zu den größten Automobilzulieferern weltweit zählt und eine wichtige Bedeutung für Lippstadt besitzt. Mit dem derzeit im Umbau befindlichen Gebäude verbindet sich jedoch nicht nur ein Stück Industriegeschichte, sondern auch politische Geschichte.

So befand sich in dem Gebäude an der Hospitalstraße vom November 1944 bis zum März 1945 das Außenlager Lippstadt II des Konzentrationslagers Buchenwald. 331 jüdische Frauen aus Ravensbrück und Bergen-Belsen arbeiteten hier in der Rüstungsindustrie. Kurz vor Eintreffen der amerikanischen Truppen wurden die Frauen Ende März 1945 von den Nationalsozialisten abtransportiert. Einige von ihnen wurden im April desselben Jahres in Kreiensen im Harz, sowie die Mehrzahl später bei Dresden befreit. Um an das Leid dieser Frauen zu erinnern, hängt heute eine Gedenktafel an dem leerstehenden Gebäude.

Innenansicht: Auf drei Stockwerken wird der Sammlung des Museums viel Platz geboten. Die Wände sind nicht tragend und können den Bedürfnissen entsprechend entfernt werden. Foto: Christiane Cantauw/LWL.

Bis vor einigen Jahren bot dieses geschichtsträchtige Haus außerdem geflüchteten Menschen eine erste und sichere Heimat. Im kommenden Jahr soll, so der Plan des Stadtrats und des Stadtmuseums, das Depot des Museums in das Gebäude einziehen. Bis auf wenige Relikte ist das Haus schon leergeräumt, doch an vielen Stellen erinnern die Raumaufteilung, einzelne Poster und Tapeten noch an die Nutzung des Gebäudes als Flüchtlingsunterkunft. Im Austausch mit Frau Dr. Schönebeck erfuhr die Gruppe, welche Chancen das neue Depot für die Erhaltung und Weiterentwicklung der musealen Sammlung bereithält, aber auch, welche Diskussionen sich in der letzten Zeit um den Depotbau herum entspannen. Dadurch, dass in direkter Nachbarschaft zum geplanten Depot das neue Stadthaus mitsamt Vorplatz entstehen soll, ist das Vorhaben auch geografisch (als Teil eines zu entwickelnden Stadtviertels) in den städtischen Fokus gerückt. So könnte zum Beispiel die Außenfassade, die bisher durch eingeschlagene Fenster und abgebröckelten Putz wenig einladend aussieht, künftig als eine mögliche Präsentationsfläche für das Museum eine Rolle spielen. Der Diskussionsprozess in Lippstadt hat aber auch gezeigt, dass die Notwendigkeit eines Museumsdepots noch breiter kommuniziert werden muss. Sie ist keine Geld- und Ressourcenverschwendung, sondern dient der Sicherung von kulturellem Erbe.

Durch die Exkursionen wurde deutlich, welche Vielfalt an Schätzen der (Stadt-)Geschichte auf dem Dachboden des Stadtmuseums schlummert und durch die teils ungenügenden Bedingungen im Gebäude am Markt in seinem Erhalt zumindest gefährdet ist. Letztlich muss auch das Museumsgebäude umfangreich restauriert werden, damit es mit seiner bauhistorischen Bedeutung den Lippstädtern weiterhin erhalten bleibt. Damit diese Sanierung überhaupt möglich ist, müssen alle Objekte für noch unbestimmte Zeit in das neue Depot ausgelagert werden. Im Anschluss an eine Sanierung des historischen Museumsgebäudes kann dann ein neues, modernes (Dauer-)Ausstellungskonzept für das Museum erarbeitet werden.

Das Depot stellt die einzigartige Chance dar, die Sammlung für die folgenden Generationen zu bewahren und weiterzuentwickeln. Denn nur auf der Basis einer systematisch aufgebauten und gut erhaltenen Sammlung lassen sich fundierte Forschungen betreiben und Ausstellungen entwickeln, die neue Erkenntnisse zur (Stadt-)Geschichte liefern und diese aufbereiten Spätestens wenn das geschieht, wird die Relevanz eines neuen Depots für das Lippstädter Stadtmuseum endgültig sichtbar.