Dörthe Gruttmann
Ein Gerät anschaffen wollten viele jedoch nicht. Gründe hierfür lagen unter anderem in der anfänglichen Angst, von der Bildröhre würde eine schädigende Strahlung ausgehen oder auch, dass Fernsehen besonders für Kinder ungesund sei. Clemens Schnell aus Hagen berichtete im Sommer 1966: „Andere wiederum wollten wegen ihrer noch schulpflichtigen Kinder kein Fernsehen haben, da es den Augen schade, die Schulaufgaben vernachläßigt würden und die Kinder auch im Wachstum behindert würden, weil sie nicht mehr gnug [sic!] an die frische Luft kämen“ (MS02717, S. 2).
Das gemeinsame Fernsehgucken wurde ebenfalls nicht immer positiv bewertet. Karl Schmidthaus aus Bochum-Laer schrieb im November 1966 über die als Zwang empfundene soziale Verpflichtung, die mit dem Fernsehen bei Bekannten einherging und von welcher er sich nach einiger Zeit befreien konnte: „Die Hausfrau hatte noch in der Küche zu tun, während der Mann mit uns schon im Wohnzimmer vor der Flimmerkiste saß. Da sie aber nicht auf Unterhaltung verzichten wollte, redete sie von der Küche aus unentwegt dazwischen. Uns war es auch Höflichkeitsgründen nicht vergönnt, uns der Sendung zu widmen, sondern wir mußten auf das Gespräch der Hausfrau mehr zu achten [sic!], denn wenn man nicht aufmerksam ihren Worten lauschte und nicht ordnungsgemäße Antworten gab, fühlte sie sich beleidigt – was sie natürlich nicht offen zeigte, sondern nur merken ließ. Selbst wenn sie schließlich fertig war und sich ebenfalls zu uns setzte, gab es keine Ruhe, um sich ein Stück anzusehen, denn dann ging die ununterbrochene Rederei aus der Nähe weiter und bei jeder Gelegenheit rannte sie fort, einmal dies, und dann wieder das zu holen, was eigentlich gar nicht nötig wäre. So kam es, daß man manchmal von einer Sendung wohl die Bilder sah, aber vom Ton noch nicht einmal die Hälfte mitbekommen hatte. Das haben wir einige Zeit mitgemacht und dann fielen uns oft Ausreden ein, weshalb wir nicht mehr so oft kommen konnten. Statt dessen gingen wir mehrfach in eine bekannte Wirtschaft und besahen uns dort ein Samstag-Abend-Programm. Ich habe festgestellt, daß auch bei zu häufigen privaten Fernsehbesuchen man den Gastgebern so langsam aber sicher lästig wird. Es geht eben nichts davor, wenn man nur mit seiner Familie vor dem Fernsehschirm sitzt. Da kann man dann tun und lassen, was man will, braucht sich keinen Beschränkungen zu unterwerfen und auf niemanden Rücksicht nehmen“ (MS02776, S. 15).