Andreas Eiynck
Im Mittelalter gab es noch keine einheitliche Justizordnung mit klar abgegrenzten Zuständigkeiten und Instanzen. Im Gegenteil – unterschiedliche Gerichte konkurrierten um Aufgaben und Strafgelder, aber auch um Macht und Einfluss der Gerichtsherren. Durchgesetzt haben sich schließlich die sogenannten Gogerichte, die sich meist in der Hand der Landesherren befanden und aus denen vielerorts die späteren Amtsgerichte mit regionaler Zuständigkeit hervorgegangen sind. Daneben gab es die sogenannten Freigerichte, die sich auf das ursprüngliche Gerichtsprivileg des Kaisers beriefen. Daher fühlten sie sich nicht nur für ihren eigenen Gerichtsbezirk zuständig, sondern sahen sich – unter Hinweis auf Kaiser und Reich – auch befugt, auswärtige Gerichtsverfahren an sich zu ziehen. So entstanden die „Femegerichte“, deren Urteile im ganzen Reich und bei allen Ständen gefürchtet waren. Denn war ein Angeklagter nicht vor dem Femegericht erschienen, so wurde er in geheimer Sitzung in Abwesenheit verurteilt. Gegebenenfalls erklärte das Gericht ihn für „verfemt“. Damit war er „vogelfrei“ und jeder war aufgerufen, das Urteil gegen ihn – wo auch immer – zu vollstrecken.
Eines hatten Go- und Freigerichte im Mittelalter gemeinsam: sie tagten nicht in einem Gerichtsgebäude, sondern unter freiem Himmel an einem allgemein bekannten Ort irgendwo in der freien Landschaft, oft an einer markanten Stelle, etwa einer Quelle oder einem großen Findling.
Viele Freigerichte wurden im 17. Jahrhundert aufgelöst und die Gogerichte folgten ihnen Anfang des 19. Jahrhunderts, als deutschlandweit eine neue Justizordnung eingeführt wurde. Nun tagten die Gerichte allesamt in besonderen Justizgebäuden. Damit gerieten viele alte Gerichtsplätze in Vergessenheit. Andere sind bis heute bekannt und manche sogar in der Landschaft sichtbar.
Der Freistuhl in der Bauerschaft Flamschen bei Coesfeld war das wichtigste Freigericht in der Freigrafschaft Merveldt, deren Bezirk den Raum Coesfeld mit Ausnahme des eigentlichen Stadtgebietes umfasste. Der Gerichtsplatz lag unmittelbar an der alten Landstraße von Coesfeld nach Reken vor den Toren der Stadt. Das Gericht war ein Lehen der Herzöge von Berg und an die Herren von Merveldt vergeben. Diese verpfändeten es 1385 an die Stadt Coesfeld. Damals hatten die Herzöge von Berg den Richterstuhl an einen Godeke Köbbing vergeben, den der Bischof von Münster mit zwei kleineren Gerichten in der Nachbarschaft belehnt hatte. Köbbing übertrug diese Gerichte der Stadt Coesfeld, die damit ihre Gerichtsbarkeit aus dem eigentlichen Stadtgebiet in das Umland ausweiten konnte.