Sebastian Schröder
Grenzkonflikte waren in der Frühen Neuzeit (1500–1800) an der Tagesordnung. Auch die Grafen von Diepholz sowie die Bischöfe von Minden, Osnabrück und Münster waren sich uneins über den genauen Grenzverlauf ihrer Herrschaftsgebiete. Gewaltige Aktenkonvolute, die seit dem 16. Jahrhundert überliefert sind, beschäftigen sich dabei unter anderem mit der Frage, zu wessen Einflussbereich der Dümmer See zähle. Dabei handelte es sich um ein 12,4 Quadratkilometer großes und bis zu 1,4 Meter tiefes Binnengewässer im niedersächsischen Landkreis Diepholz, das zwischen Lemförde, Damme und Diepholz liegt und von der Hunte durchflossen wird. Dieser territoriale Konflikt manifestierte sich ganz praktisch an der Frage, wer in dem Gewässer Fischfang treiben durfte. Im Folgenden soll anhand von Zeugenverhören gezeigt werden, wie die Menschen des 16. Jahrhunderts in der Nähe des Dümmer Sees und der Hunte Fische jagten und wem dieses Recht eigentlich zustand.
Die im Dümmer vorhandenen Fischgründe waren bei den Anrainern sehr begehrt. Alle Einwohner der umliegenden Bauerschaften wollten dort fischen oder Netze auswerfen. Allerdings beanspruchte der Graf von Diepholz das alleinige Privileg, die schmackhaften Seebewohner zu fangen. Deshalb musste jeder Fischer bei ihm eine vorherige Genehmigung einholen. Als Gegenleistung waren einige Fische als Naturalien abzuliefern. Ungefähr zu der Zeit, als Johann von Diepholz (1510–1545) das zum Mindener Bistum gehörige Amt Rahden pfandweise untergehabt hatte, ließ er sich zwei- oder dreimal im Jahr Fische zur Burg Rahden bringen, wo er zeitweilig residierte. Und wer in der südlich des Dümmer Sees verlaufenden Hunte (die dort auch als Aue bezeichnet wurde) mit Körben jagte („Korbleute“), hatte den Diepholzer Amtleuten zu Lemförde jährlich auf Palmsonntag eine Tonne Butter zu liefern. Gleichwohl erinnerte sich der in der Nähe lebende Adlige Hartung von der Horst im Jahr 1575, dass einige Eingesessene des Stifts Osnabrück diese Vorrechte missachtet und noch während der Laichzeit „sich ungebuerlich Fischen angemaßet“ hätten. Jedoch konnte der Diepholzer Landesherr die Delinquenten nie auf frischer Tat ertappen. Deshalb überlegte er sich eine List: Er ließ einen seiner Diener und den Lemförder Einwohner Johann Schleimer eine Hellebarte an den Fuß binden. Derart ausgerüstet gingen die beiden Männer in das Binnengewässer hinein und warfen eine Angel „zum Scheine“ aus. Für Außenstehende muss diese Situation keinen Verdacht erregt haben; jedenfalls schlug niemand Alarm. Und tatsächlich: Als Schleimer und der Diepholzer Bedienstete ihre Osnabrücker Widersacher entdeckten, ergriffen sie umgehend ihre unter der Wasseroberfläche verborgenen Waffen und nahmen die Übeltäter fest, um sie nach Lemförde ins Gefängnis zu bringen.