Christiane Cantauw
„Die Photomontage (Photoplastik) geht zurück auf das naive, doch sehr geschickte Verfahren alter Photographen, aus Einzelteilen ein neues Bild zusammenzustellen. Sie hatten zum Beispiel den Auftrag, ein Gruppenbild zusammenzubauen von Menschen, die aus irgendeinem Grunde nicht gleichzeitig, sondern nur einzeln aufgenommen werden konnten. Sie kopierten oder klebten die einzelnen Bilder vor einem gemeinsamen, meist Kulissenhintergrund zusammen, und keiner sollte merken, daß die Gruppe zusammengestückelt war. Damit war die erste Photomontage da“, schrieb 1928 der damalige Bauhauslehrer László Maholy-Nagy (1895–1946) in der an Rhein und Ruhr erscheinenden Boulevardzeitung Der Mittag.
1928 war die Technik der Fotomontage eigentlich nicht mehr neu und erklärungsbedürftig, wohl aber die Bezeichnung, die sich seit der Wende zum 20. Jahrhundert nur allmählich durchsetzte. Experimente mit dem Zusammenfügen mehrerer Fotografien und weiterer Materialien zu einem neuen Gesamtbild hatte es schon seit der Erfindung der Fotografie gegeben. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sich im Fotostudio komponierte Gruppen- und auch Einzelportraits in vielen Fotosammlungen finden. Wenn auch nicht dokumentiert ist, warum im Einzelfall eine Fotomontage in Auftrag gegeben wurde, so sprechen die Fotografien für sich: Ein zentrales Arbeitsfeld der Fotografen war es offenbar, Gruppenaufnahmen einzelne Personen hinzuzufügen. So auch bei einer Aufnahme aus dem Archiv für Alltagskultur: Drei Generationen einer Familie aus Dingden haben für die Atelierfotografie vor einem Atelierhintergrund Aufstellung genommen. Der Fotograf hat die Gruppe weitgehend nebeneinanderstehend oder -sitzend arrangiert. Nur eine Person steht in zweiter Reihe. Dass diese dem Foto nachträglich hinzugefügt wurde, ist leicht ersichtlich. Vermutlich handelt es sich um den Vater, Sohn beziehungsweise Ehemann der Abgebildeten. Er trägt auf dem Foto eine Uniform und war wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Aufnahme entweder an der Front oder bereits nicht mehr am Leben.