Unmittelbar nach dem Ende des Krieges organisierte der FDKG Protestversammlungen und „Kundgebungen gegen den Raub der Kolonien und Unterschriftensammlung“. An der Tatsache, dass Deutschland mit dem Versailler Vertrag auf die Kolonien verzichtet hatte, änderte das aber nichts.
Interessanterweise steht der politische Verzicht auf die Kolonien im Kontrast zu den Aktivitäten des FDKG, der in den 1920er und 1930er Jahren seine Aktivitäten verstärkte und große Kolonialfeste veranstaltete.
Am 17. Juni 1926 lud der Vorstand der Abteilung Münster des FDKG zum Kolonialfest im Offizierskasino am Neuplatz (heute: Schlossplatz) ein. Die Veranstaltung sollte in Form eines Gartenfestes stattfinden, das Programm beinhaltete eine „Darbietung von Erfrischungen, zwei Militärkapellen, Eingeborenenkraal“ sowie Tanzvorführungen und gemeinsamen Tanz. Auch in den darauffolgenden Jahren zeigte sich der Einfallsreichtum der Abteilung: 1928 veranstaltete der Frauenbund einen „Send in Windhuk“, 1929 dann ein „Oktoberfest am Kilimandscharo“. Das Kolonialfest des Jahres 1928 fand am 17. Juni in „sämtlichen Räumen des Schützenhofes zu Münster“ an der Hammer Straße statt. Wie die meisten anderen Kolonialfeste hatte auch dieses jedoch nicht nur Vergnügung zum Zweck. Der Ertrag sollte „mithelfen zur Errichtung eines Heimathauses ‚Westfalen‘ für alleinstehende deutsche Mädchen und Frauen in Südwestafrika“. Am 6. Oktober 1929 folgte dann das „Oktoberfest“ „im Anschluß an den städt. Werbeumzug zum Besten notleidender, deutscher Soldaten in den ehemals deutschen Kolonien Afrikas“. Der Veranstaltungsort war die „Münsterlandhalle zu Münster“.
Es zeigt sich, dass der Verein bereits in den 1920er Jahren darauf abzielte, durch soziales und kulturelles Engagement den deutschen Einfluss in den ehemaligen Kolonien (und darüber hinaus) zu wahren und auszubauen. Derartige Bestrebungen wurden in den 1930er Jahren weiter intensiviert.
Im Jahr 1935 richtete die Abteilung Münster des FDKG ein „Kolonialfest mit Richtstrahler nach Afrika“ im Hauptbahnhof aus. Auch hier organisierte der Frauenbund „Tanz und künstl. Darbietungen verschiedenster Art“ sowie „vorzügliche Tanzkapellen“. Ziel des Festes war die „Erhaltung des Deutschtums, insbesondere der deutschen Schulen in Afrika“. Die Veranstalterinnen hatten außerdem einen Richtstrahler organisiert, mit dem ein Radiosignal aus Afrika empfangen werden konnte, um die Authentizität der Veranstaltung zu erhöhen.
Der Münsterische Anzeiger berichtete am 19.2.1935:
„Es gab nicht nur eine üppige tropische Vegetation, sondern auch Afrikaner und andere Farbige liefen in Massen herum, genau wie wir sie aus den Büchern und vom Zirkus kennen. Außerdem hatte die Luft eine so naturechte tropische Wärme, daß den Blaßgesichtern aus dem Norden der Schweiß in Bächen über die Wangen rann und mancher bedauerte, seinen hellen Tropenanzug angezogen zu haben.“
Auch bei dieser Veranstaltung wurde eine lokale Färbung deutlich:
„Da gab es Quellen mit köstlichem Münsterländer, mit Sekt, mit Bowle und für die starken Männer waren mächtige Bierhähne zwischen dem schattigen Laub angebracht […].“
Dass für diese Veranstaltung der Hauptbahnhof gewählt wurde, war sicherlich kein Zufall. Erst fünf Jahre zuvor war der umgebaute Bahnhof als „Tor zur modernen Stadt“ neu eröffnet worden. Er war so nicht nur Repräsentationsort der Stadt, sondern auch wichtiger Knotenpunkt des regionalen Bahnverkehrs. Hier manifestierte sich die von der Stadtgesellschaft getragene Bedeutung des Kolonialfestes, das auch für die Bewohner:innen der umliegenden Orte leicht zu erreichen war.
Auf der Suche nach kolonialen Spuren im lokalen Umfeld nimmt die Abteilung Münster des FDKG eine nicht zu unterschätzende Position ein. Anders als etwa Denkmäler oder Straßennamen ist die Erinnerung an Kolonialvereine nicht unbedingt direkt im Stadtbild ablesbar. Viele der Orte, an denen prägende Veranstaltungen stattfanden, existieren heute nicht mehr. Die Quellen belegen jedoch, wie bedeutsam der Kolonialismus in Deutschland (und in Münster) auch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war. Sie zeigen aber auch noch etwas Anderes: Die Kolonialvereine stellten zweifellos eine Möglichkeit für die bürgerlichen Frauen dar, gesellschaftlich in Erscheinung zu treten. Die Kehrseite der politischen Emanzipation der Frauen in Kolonialvereinen war aber die Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen im kolonialen Kontext. Frauen wie Anna Krückmann, die sich für die bürgerliche Frauenbewegung, die Familienbildungsarbeit und die Gründung des Hausfrauenvereins in Münster engagierten, ermöglichten gleichzeitig die nationalistischen und rassistischen Vorstellungen und Auswirkungen des Kolonialismus.
Dass diese Aspekte in einer Stadtgeschichte nicht vernachlässigt werden, ist Aufgabe einer kritischen kolonialen Geschichtsschreibung. Seit Kurzem können koloniale Spuren in Münster zum Beispiel auf einer interaktiven Karte des Stadtarchivs nachverfolgt werden: https://www.stadt-muenster.de/kolonialspuren/startseite
Quellen und Literatur:
Archiv für Alltagskultur in Westfalen, K02903.0001: Verkehrsamt der Stadt Münster in Verbindung mit dem Verkehrsverein (Hg.), Das schöne Münster. Der Hauptbahnhof, Heft 20, 15.10.1930, S. 407
Ausschuß des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft (Hg.). 10 Jahre Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft. Festschrift zum 11. Juni 1918, Kolonie und Heimat Verlagsgesellschaft m. b. H. 1918. Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Sa 5923/372, https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:46:1-12172 / Public Domain Mark 1.0
Bundesarchiv R 8023/158: Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft (1907-1929)
Bundesarchiv, R 8023/164: Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft – Ausschuss: Sitzungsberichte (April 1916-Aug. 1922), S. 183, 193
Landesarchiv NRW Abt. Westfalen, K 001/Oberpräsidium Münster, Nr. 5814, S. 92-94)
Landesarchiv NRW Abt. Westfalen, K 301/Kreis Ahaus, Nr. 61
Münsterischer Anzeiger, „Zehn kleine Negerlein … Ein Abend im Schwärzesten Afrika – Das Fest des Kolonialfrauenbundes, Ortsgruppe Münster i.W.“, 19.02.1935
Stadtarchiv Münster, Plakatsammlung, V-295