Christin Fleige
Lediglich der alte Eulenturm und einige andere Mauerreste erinnern heute noch daran, dass sich der Münsteraner Zoo bis vor knapp 50 Jahren nicht an der Sentruper Straße, sondern auf dem Gelände zwischen Himmelreichallee und Promenade an der Aa befand. 1875 wurde der „Westfälische Zoologische Garten“ auf Initiative des Zoologen und Theologen Hermann Landois (1835–1905) als erster Tiergarten Westfalens eröffnet. Er musste 1973 dem Neubau der Westdeutschen Landesbausparkasse weichen und wurde ein Jahr später als „Allwetterzoo“ an anderer Stelle neu eröffnet.
Ein wenig rühmliches und weitgehend in Vergessenheit geratenes Kapitel in der Geschichte des alten Zoos ist die Präsentation sogenannter Völkerschauen zwischen 1879 und 1928. Diese öffentlichen Zurschaustellungen „exotischer“ indigener Menschen z.B. aus Afrika, Nordamerika, Australien und auch Nordeuropa waren seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein in Europa und den USA weit verbreitetes Phänomen, das eng mit dem europäischen Kolonialismus und Rassedenken zusammenhing. Die Veranstalter solcher Schauen, zu denen u.a. der Hamburger Zoodirektor und Tierhändler Carl Hagenbeck (1844–1913) gehörte, ließen Gruppen indigener Menschen über Monate oder sogar Jahre hinweg unter der Aufsicht sogenannter Impresarios durch Europa und Nordamerika reisen und vermeintlich authentische kulturspezifische Tätigkeiten und Fertigkeiten vorführen. In vielen deutschen Städten zogen die „Völkerschauen“ während der Kaiserzeit und der Weimarer Republik regelmäßig ein Massenpublikum an – so auch in Münster, wo über einen Zeitraum von 49 Jahren mindestens 20 solcher Veranstaltungen auf dem Gelände des alten Zoos stattfanden.
Ablauf, Wirkung und Rezeption dieser Veranstaltungen lassen sich unter anderem durch die zeitgenössische Presseberichterstattung nachvollziehen. Für die „Völkerschauen“ im Münsteraner Zoo, die in der Regel zwischen fünf Tagen und zwei Wochen lang gezeigt wurden, sind Ankündigungen, Berichte und Werbeanzeigen in lokalen Tageszeitungen wie dem Münsterischen Anzeiger und dem Westfälischen Merkur zu finden. So machten die Zeitungen die „Völkerschauen“ auch im Alltag derjenigen präsent, die sich die Zurschaustellungen nicht selbst im Zoo ansahen. Als historische Quellen dokumentieren sie den europäischen Blick auf das „Fremde“, während die Perspektive der zur Schau gestellten Menschen im Dunkeln bleibt.