„Frostempfindliche Pflanzen […] wurden erst nach der ‚kalten Sophie‘ gepflanzt“

14.05.2021 Dorothee Jahnke

Stangen-, Busch- und Feuerbohnensaatgut. „Zu früh gepflanzt besteht die Gefahr des Erfrierens“ (MS 6371). Foto: Dorothee Jahnke, Kommission Alltagskulturforschung.

Dorothee Jahnke

 

Wer bereits seit Wochen Tomaten auf der heimischen Fensterbank vorzieht, weiß: Zu früh ausgepflanzte Setzlinge können auch noch im Mai den Nachtfrösten zum Opfer fallen.

Für das Auspflanzen oder Aussäen vieler Pflanzen gelten im Volksmund immer noch die Eisheiligen als frühester Termin. Gemeint sind die Namenstage der Heiligen Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia – also der Zeitraum vom 11. bis zum 15. Mai. Es gibt verschiedene Bauern- oder Wetterregeln, die sich auf diese Eisheiligen beziehen. Sie besagen oft, dass es nach der „kalten Sophie“ am 15. Mai keinen Frost mehr gäbe. Manchmal wird sogar auf angeblich ‚althergebrachte‘ oder mittelalterliche Ursprünge der Eisheiligenregeln verwiesen. Dabei wird teilweise die gregorianische Kalenderreform von 1582 übersehen: Mit dem Sprung vom julianischen zum gregorianischen Kalender verschoben sich die Namenstage. Die ‚alten‘ Eisheiligen wären heute am 1. bis 5. Mai.

Für gärtnernde Alltagskulturforscher:innen weitaus interessanter als die Kalenderreform ist die Frage, was die Gewährspersonenberichte über die heikle Zeit im Mai verraten.

Im Archiv für Alltagskultur gibt es Berichte zur Frageliste 46 (Thema: „Bauerngärten“, 1982). Auf Grundlage dieser Befragung entstand 1985 auch Renate Brockpählers Publikation „Bauerngärten in Westfalen“ (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 45).

Einige Manuskripte zur Frageliste 46 weisen auf die Gefahr der Maifröste hin. Dazu zählt unter anderem der Bericht von Josef Beckbauer aus Billerbeck-Beerlage, in dem sich folgende Angabe findet: „Zunächst wurde alles, was noch Frost vertragen könnte, gesät. Erst Anfang Mai, wenn nach dem Aufgang der Saat kein Frost mehr zu erwarten war, kamen alle anderen Sorten dran. Frostempfindliche Pflanzen, wie Tomaten (erst um die 30er Jahre bekannt) wurden erst nach der ‚kalten Sophie‘ gepflanzt“ (MS 6316).

Aus Vreden berichtete Anton Terhürne-Jösner: „Runkelrüben im Pflanzbeet wurden Ende April gesät, dagegen aufs Feld war der 10. Mai Stichtag, da sie, betreffs Eisheiligen, frostempfindlich sind. Ebenso werden auch ‚Fietzebohnen‘ und ‚Krüpersbohnen‘ + Gurken frühestens am 10. Mai gepflanzt, damit sie zu den Eisheiligen (12.-15. Mai) noch nicht aus der Erde sind“ (MS 6320). Auch einige Blumen, etwa Georginen (also Dahlien), sollten laut Terhürne-Jösner erst nach den Maifrösten in den Garten. Der Gewährsmann nennt allerdings eine ‚Bohnenausnahme‘: „Dicke Bohnen konnten und sollten (wegen möglichem Läusebefall) schon wenn möglich Ende Februar gesetzt werden“ (MS 6320).

Ernst Gregory aus Plettenberg schrieb: „Nach den ‚Eisheiligen‘, etwa 12. Mai, wurden die frostempfindlichen Bohnen, Stangenbohnen (Fiekesbouhnen), die Krupbohnen (Krüpers) und auch die Gurken gelegt“ (MS 5115).

Marie Steinkamps Bericht aus Rahden enthält eine plattdeutsche Bauernregel samt hochdeutscher Übersetzung: „Es hieß: ‚Wer Fizebaun well eten, darf den 12ten en 13ten Mai nich vergeten‘, ‚Wer Bohnen will essen, darf den 12ten und 13ten Mai nicht vergessen‘. Zu früh gepflanzt besteht die Gefahr des Erfrierens, zu spät gepflanzte Bohnen können von dem einsetzenden Herbstfrost geschädigt werden, da der Samen voll ausgereift sein muß, um im nächsten Jahr keimfähig bzw. genießbar zu sein“ (MS 6371).

Weniger präzise ist die Angabe von Aenne Tieskötter aus Herzfeld: „Gurken, Fitzbaunen und Krüpers legte man im Mai“ (MS 6281). Und Agnes Budde aus Geseke schrieb: „Ab 8. Mai kann man Stangenbohnen, Buschbohnen und eventuell Gurken legen. […] Ab 15. Mai kann man auch Sellerie und Tomaten pflanzen“ (MS 6459).

Bereits aus dieser kleinen Zahl an Berichten geht kein fester ‚Idealtag‘ zum Pflanzen oder Säen hervor. Stattdessen variieren die angegebenen Daten und fallen ungefähr in den Zeitraum der fünf Namenstage im Mai. Schuld daran sind aber nicht allein regionale Klimavariationen oder unterschiedliche Gemüsesorten: Das Wetter richtet sich schlichtweg nicht nach dem Kalender oder den Wünschen der Gärtner:innen.

Die Eisheiligen stehen somit lediglich für einen Zeitraum, in dem es trotz trügerischem Sonnenschein und hoher Tagestemperaturen nachts doch immer noch frieren kann. Es empfiehlt sich daher, die Eisheiligen nur als grobe Empfehlung zu betrachten und beim Gärtnern lieber auf die Prognosen der Meteorologen zu vertrauen.

Um noch einmal Frau Budde aus Geseke zu zitieren: „Es kommt immer auf das Wetter an“ (MS 6459).