In Ladbergen wird’s brenzlig: Gerangel um die Anschaffung einer Feuerspritze

11.04.2025 Niklas Regenbrecht

„Zeichnung der Feuersprüzze zu Leeden“ aus dem Jahr 1802. So oder ähnlich könnte auch das Exemplar ausgesehen haben, das die Bauerschaft Ladbergen am Ende des 18. Jahrhunderts erwarb, Foto: LAV NRW W, W 051/Karten A (Allgemein), Nr. 22088.

Sebastian Schröder

Mitunter genehmigte die landesherrliche Verwaltung den Verkauf gemeiner Grundstücke, zeitgenössisch hieß das „Ausweisung von Zuschlägen“. Der Verkauf solcher Flächen galt zum Beispiel als probates Mittel, um frisches Kapital zu erhalten – etwa für die Anschaffung einer Feuerspritze. So plante der Kirchort Ladbergen am Ende des 18. Jahrhunderts, eine solche Gerätschaft zur Bekämpfung von Bränden zu erwerben. Die Käufer des von der Gemeinde veräußerten Grundstücks versahen ihre Neuerwerbung mit einem Wall mit der Begründung, dass „das Terrain gänzlich in Sandwehen besteht und zu nichts nütze ist“. Die Umwallung sollte Sandverwehungen vorbeugen. Doch die Einwohnerschaft der Bauerschaften Kattenvenne (Kirchspiel Lienen) und Ringel (Kirchspiel Lengerich) war damit überhaupt nicht einverstanden und riss den neuangelegten Schutzwall nieder. Sie führte an, dass der Zuschlag ihre Viehweide schmälere. Freilich gehöre der Grund gar nicht zur Kattenvenner und Ringeler Mark, wie der Ladberger Vogt oder Amtmann Ludwig Snethlage betonte. Dementsprechend müssten die Missetäter „mit Gefängniß und härterer Strafe beleget werden“. Daraufhin wies die Kriegs- und Domänenkammer Landrat Friedrich Balcke an, gegen die Delinquenten eine Geldstrafe zu verhängen. Sollten sie trotzdem uneinsichtig bleiben, müsse zu strikteren Mitteln gegriffen werden.

Offensichtlich beeindruckte diese Strafandrohung die Eingesessenen aus Kattenvenne und Ringel hingegen kaum. Denn im Winter 1796 zerstörten sie abermals die zuvor wieder aufgeschütteten Wälle. Nunmehr empfahl Landrat Balcke, das landesherrliche Justizamt einzuschalten, deren Beamte den Fall gehörig zu untersuchen hätten. Die Kriegs- und Domänenkammer folgte diesem Vorschlag und erteilte dem Hoffiskal und Justizbeamten Striebeck eine entsprechende „Kommission“ beziehungsweise einen Untersuchungsauftrag. Striebeck, dessen Aufgabe mit derjenigen eines Staatsanwalts verglichen werden kann, sollte die „Thäter und Rädelsführer“ ausfindig machen. Unterdessen hatten die Vorsteher der Bauerschaften Kattenvenne, Holzhausen, Meckelwege und Ringel der Kammerverwaltung eine Gegendarstellung zukommen lassen. Sie behaupteten, dass der Zuschlag in der sogenannten Liener Kuhlen liege – dieses Gebiet dürften ausschließlich die Eingesessenen des Kirchspiels Lienen nutzen. Die Ladberger besäßen dort keinerlei Berechtigung zur Hude und Weide und dementsprechend keine Befugnis, einen Zuschlag zu umwallen. Deshalb habe man die Zerstörung der Umgrenzung als ein rechtmäßiges Mittel „zur Sicherheit des Eigenthums unserer Commune“ betrachtet. Dabei müssten die landesherrlichen Behörden bedenken, dass just dieses Grundstück „der beste Theil in der sogenandten Liener Kuhlen“ sei, „wo viele der Eingeseßenen noch Torf-Moore haben“. Überdies würden durch den Zuschlag öffentliche und zum Viehtrieb unentbehrliche Wege unterbrochen.

Die Kriegs- und Domänenkammer ließ sich durch das Schreiben allerdings nicht besänftigen. Selbst wenn sich die Aussage der Angehörigen des Kirchspiels Lienen als richtig erweise, sei die „widersetzliche und gewaltsame Art“ ihres Vorgehens streng zu verurteilen. Und überhaupt sollten sie dankbar sein, dass „zur Beförderung einer so gemeinnützigen Sache als die Anschaffung einer Feuer-Spritze an einem ihnen so nahe belegenen Orte“ geschritten werde. Immerhin könnte auch im Kirchspiel Lienen einmal ein Brand ausbrechen – bestimmt sei dann jeder froh über etwaige Hilfe aus Ladbergen. Grundsätzlich bestritten die beschuldigten Vorsteher in ihrer Entgegnung auch gar nicht die Vorteile einer Feuerspritze. Dennoch dürfe deren Anschaffung nicht dazu führen, „daß eines Dritten Gerechtsame in Gefahr gerathe und geschmälert werde“. Außerdem würden die Ladberger selbst über ausgedehnte Gemeinheitsflächen verfügen, die teils hätten verkauft werden können. Überdies stelle sich die Behauptung als falsch dar, das umstrittene Grundstücke bestehe bloß „aus leichten Moor und dürren Sande“. Vielmehr habe „sich solches schon seit einigen Jahren sehr verbessert, weil das leichte und dürre Sand weggeführet und anitzt diese Gegend einen festen Boden darstellet, so mit Heide und Gras für Schafe sowol, als Rinder zur Fütterung bewachsen, auch in einigen Jahren das ganze dortige Moor auf gleiche Art sich verbessern wird.“

Insoweit verteidigten die Vorsteher ihr Vorgehen, indem sie ihre Bemühungen zur Hebung der Landeskultur in den Vordergrund stellten. Nicht nur die Anschaffung einer Feuerspritze erweise sich als nützlich, sondern man müsse ebenso Maßnahmen zur Verbesserung der Landwirtschaft positiv beurteilen. Zu diesem Punkt betonten die angeklagten Eingesessenen des Kirchspiels Lienen, dass eine Verknappung der Weidegründe eine Verminderung des Viehbestands zur Folge habe, wodurch wiederum weniger Mist und Dünger zur Verfügung stünden, was sich letztlich negativ auf die Bestellung der Äcker und Felder auswirke. Ferner müsse notwendigerweise der Wollabsatz leiden, wenn die Landwirte ihre Schafe aus Not abzuschaffen hätten. Hinzu komme, dass in Lienen bereits seit fünf oder sechs Jahren eine eigene Feuerspritze vorhanden sei – ohne dass man zum Nachteil anderer habe Grundstücke veräußern müssen.

Nun schalteten sich erstmals auch die Ladberger persönlich ein. Ihre Variante klang ganz anders: Der infragestehende „Fleck“ sei „ohne allen Zweifel Ladberger Marck und dabey so sehr verwehet, das er ohne Dämpfung und Bepflantzung gar wild und wüste wird“. Es stand also Aussage gegen Aussage. Deshalb ruhte große Hoffnung auf dem Gutachten des Justizbeamten Striebeck. Er ermittelte, dass die Eingesessenen der Bauerschaften Kattenvenne, Holzhausen, Meckelwege und Ringel mit ihrer Aussage tatsächlich Recht hätten. Der Platz liege in der Liener Gemeinheit. Folglich sei die Ausweisung des Zuschlages nicht rechtens gewesen. Gleichzeitig müssten sich die beschuldigten Vorsteher aus dem Kirchspiel Lienen jedoch für ihr eigenmächtiges Vorgehen verantworten. Schlichtung brachte diese Stellungnahme aber nicht – die vielschichtige Auseinandersetzung schwelte noch einige Jahre, soll an dieser Stelle aber nicht weiterverfolgt werden.

Ohnehin kündet dieser Fall sehr anschaulich von mehreren Aspekten, die Leben und Alltag am Ende des 18. Jahrhunderts kennzeichneten. Einerseits erhält man einen Eindruck von landwirtschaftlichen Wirtschaftsweisen. Die gemeine Mark besaß in diesem Zusammenhang eine herausragende Bedeutung. Hier stach die Bevölkerung Torf, den sie unter anderem als Brennmaterial verwendete. Außerdem weidete in den Gemeinheiten das Vieh. Andererseits werden die Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt sichtbar. Der Torfabbau veränderte das Landschaftsbild; Heide- und Sandflächen bildeten sich. Um Sandverwehungen Einhalt zu gebieten, legten die Menschen Hecken oder Wälle an. Darüber hinaus veranschaulicht das geschilderte Beispiel, wie die verschiedenen landesherrlichen Verwaltungsinstanzen um Kompetenzansprüche rangelten. So waren neben dem Ladberger Vogt oder Amtmann der Landrat, die Kriegs- und Domänenkammer, der Justizbeamte und die Regierung involviert. Aus der anfänglichen Auseinandersetzung entwickelte sich ein Prozess, der ganz grundsätzliche Fragen preußischer Herrschaftsorganisation thematisierte.

 

Quelle: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, D 803/Kriegs- und Domänenkammer Minden, Nr. 1035: Demolierung eines Zuschlags behufs einer anzufertigenden Feuerspritze im Kirchspiel Ladbergen, 1795–1797.

Die bisherigen Teile der Serie zur Kriegs- und Domänenkammer Minden:

Ein Dickicht voller Alltagskultur: Die preußischen Kriegs- und Domänenkammern in Westfalen im 18. Jahrhundert

Die Preußen wollen umsatteln: Zugochsen statt Pferde lautete die Devise

Erfindergeist in Minden und Ravensberg

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Bergbau in Bierde? Die Mindener Kriegs- und Domänenkammer und die Steinkohle

Die Glocken schweigen. Oder: „Gewitterableiter“ in preußischen Kammerakten

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