Gruppenbild mit Weihnachtsbaum

14.12.2021 Niklas Regenbrecht

Weihnachten bei Familie Spilhaczek, 1904. Man erkennt den Junggesellen. Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 2003.06792.

Niklas Regenbrecht

Zusammenkünfte von Menschen verlangen nach fotografischer Dokumentation. Erst recht, wenn Feiertage wie Weihnachten der Anlass für die Zusammenkunft sind. Um auch bei späterer Betrachtung unmissverständlich deutlich zu machen, dass eine Fotografie an den Weihnachtstagen oder bei einer Weihnachtsfeier aufgenommen wurde, wird bei gestellten Gruppenbildern häufig der Weihnachtsbaum prominent ins Bild gesetzt. Die versammelten Personen nehmen Aufstellung vor, neben oder rund um den Baum. Und so könnte man das Gruppenbild mit Weihnachtsbaum beinahe für eine eigene Fotogattung halten.

Das Aufstellen von Weihnachtsbäumen ist etwas älter als die Geschichte die Fotografie. Obgleich in Vorläufern bereits seit mindestens dem 17. Jahrhundert bekannt, verbreitete sich das geschmückte und kerzentragende weihnachtliche Nadelgehölz in Deutschland vor allem seit dem 19. Jahrhundert. Hier nahm auch die technische Entwicklung der Fotografie ihren Anfang. Bis sie zu einem tatsächlich nutz- und bezahlbaren Massenphänomen wurde, dauerte es jedoch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Großeltern, Kinder, Enkelkinder, Weihnachtsbaum. Weihnachten bei Familie Zölffel, 1929. Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 2014.00487.

In Zeiten, in denen Kameras weniger verbreitet, Fotografien teurer und jedes Bild einzeln bezahlt werden musste, kam dem arrangierten Bild eine größere Bedeutung zu. Anfang des 20. Jahrhunderts wären Schnappschüsse gleichsam eine Materialverschwendung gewesen und hätten den nötigen Ernst vermissen lassen. Arrangierte Gruppenfotos hingegen zeigten häufig den Ernst eines Festes, lachende Gesichter sind in jener Zeit eher seltener. Den Abzügen kommt eine schon bei der Aufnahme beabsichtigte Erinnerungs- und Dokumentationsfunktion zu. In Familienfotoalben kann man mithin so etwas wie eine jährliche Bestandsaufnahme der Familienangehörigen zum Stichtag Weihnachten beobachten. In Vereinschroniken dokumentieren die Bilder ebenfalls den aktuellen Stand der Mitgliederschaft. Und so haben sich in den Beständen der Bildsammlung des Archivs für Alltagskultur in Westfalen insbesondere drei verschiedene Varianten des Sujets „gestelltes Gruppenbild mit Weihnachtsbaum“ erhalten. Das sind erstens Familienbilder, zweitens Fotografien, die auf Weihnachtsfeiern im Vereinsumfeld aufgenommen wurden und drittens weihnachtliche Gruppenaufnahmen von Soldaten.

Weihnachtliche Familienbilder mit Baum entstanden und entstehen oft unmittelbar am Heiligen Abend oder an den Weihnachtstagen. Aufgestellt und posierend finden sich die Kernfamilie und anwesende Verwandte. Insbesondere die Kinder und ihr aktueller Wachstumsstand werden hier festgehalten. Daneben wird der vergängliche Weihnachtsbaum selbst, dessen Schmuck oder die Festtafel dokumentiert. Auch werden hier Geschenke arrangiert und präsentiert. Im Bereich der weihnachtlichen Familienfotografien existieren natürlich auch massenhaft Schnappschüsse, im Bildarchiv ab spätestens der Mitte des 20. Jahrhunderts zahlreich nachgewiesen. Diese zeigen dann beispielsweise auch so etwas wie eine Dynamik des Festes, lachende Gesichter oder singende und musizierende Kinder. Der Wandel von Weihnachten von einem reinen Kirchenfest hin zu einer Familienfeier wird auch an solchen Fotografien deutlich.

Weihnachtsfeier des Sauerländischen Gebirgsvereins, Abt. Ahlen, 1924. Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.S4337.

Auch im Vereinswesen werden wichtige Versammlungen oder festliche Anlässe fotografisch festgehalten, so auch Vereinsweihnachtsfeiern. Diese finden bereits in der Vorweihnachtszeit statt. Im Gegensatz zum familiären Kontext handelt es sich hierbei mitunter um sehr viel mehr Personen, zudem fehlen Kinder. Auf der nebenstehenden Fotografie eines bürgerlichen Wandervereins von 1924 wurde paarweise aufwändig Aufstellung angenommen, vermutlich auf einem Podest oder auf Stufen rund um den Weihnachtsbaum. Es handelt sich nicht um einen häuslichen Kontext, sondern um einen Festsaal. Dem dort aufgestellten Weihnachtsbaum kommt eine eher dekorative Funktion zu.

Weihnachtsfeier im Ersten Weltkrieg. Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 1991.00458.

Ähnlich wie die Fotografien von Vereinsweihnachtsfeiern, zeigen auch solche von Soldaten größere Gruppen. Hier kann man allerdings tendenziell die Unfreiwilligkeit der abgebildeten Personen am Ort der Weihnachtsfeier unterstellen. Weihnachtsfeiern in diesem Rahmen, zumal in Kriegszeiten, sollten Normalität und Bindung an die Heimat vermitteln. Dazu dienten auch aufgestellte Weihnachtsbäume, die den Möglichkeiten entsprechend geschmückt waren. Die Bäume sollten dazu beitragen, dass sich die Soldaten in geringem Umfang wie zu Hause fühlen konnten. Vor dem Ersten Weltkrieg jedoch, um auf die Geschichte des Weihnachtsbaumes zurück zu kommen, waren diese in Deutschland noch nicht vollständig verbreitet. Das führte dazu, dass manche Soldaten erst bei Weihnachtsfeiern im Felde Weihnachtsbäume kennen lernten und diesen Brauch nach Kriegsende in ihre Heimat mitnahmen und so zur flächendeckenden Verbreitung des Weihnachtsbaumes beitrugen. – Und womöglich dann bei einem der nächsten Weihnachtsfeste ein Familienfoto vor dem Baum arrangierten.

Improvisierter Weihnachtsbaum, Russland 1943. Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 2002.00490.