Dorothee Jahnke
Die Tage werden kürzer und die Nächte gruseliger – Halloween steht wieder einmal vor der Tür. Was liegt da näher als eine Suche nach Gruseligem in der Motivkartei Märchen und Sagen?
Vor die gruseligen Sagenmotive muss allerdings eine Erläuterung zu ihrer Herkunft gestellt werden. Ursprünglich war die heute im Archiv für Alltagskultur verwahrte Sammlung Teil des 1936 in Berlin gegründeten und von Gottfried Henßen geleiteten Zentralarchivs der deutschen Volkserzählung. Das Zentralarchiv wurde 1938 vom „SS-Ahnenerbe“ übernommen. Es folgte eine Umbenennung in „Lehr- und Forschungsstätte für Märchen- und Sagenkunde“; neuer Leiter wurde Heinrich Harmjanz. Gesucht wurden fortan Belege für „eine Kontinuität des germanischen Mythensystems“ (Becker 2015, S. 27).
Nach dem Zweiten Weltkrieg erwirkte Henßen die Überführung der Bestände nach Marburg, benannte sie in „Archiv für Volkskunde“ um und erweiterte sie. 1960 gründete Gerhard Heilfurth an der Marburger Universität das Institut für Mitteleuropäische Volksforschung, dem die Archivbestände unter dem (alten) Namen „Zentralarchiv der deutschen Volkserzählung“ angegliedert wurden.
Der im Archiv für Alltagskultur verwahrte Teilbestand – die Motivkartei Märchen und Sagen – umfasst ausschließlich Erzählungen mit westfälischem Bezug. Die rund 1.700 Erzählungen sind in 12 Oberkategorien geordnet: „Teufel“, „Spuk, Gespenster“, „Hexen“, „Zauberer“, „Werwolf“, „Schätze“, „Aetiologisches Erzählgut“, „Legenden“, „Zaubermärchen“, „Tiermärchen“, „Märchen“ und „Schwänke“. Neben der eigentlichen Motivkartei – einem Zettelkatalog in zwei kleinen Schubladen – gibt es acht Archivkästen, in denen die Abschriften der jeweiligen Erzählungen verwahrt werden. Für die systematische Erfassung stellte das Zentralarchiv der deutschen Volkserzählung Formulare bereit, in denen unter anderem Angaben zu Region oder Ort, Einsender:innen, Erzähler:innen und bisherigen Veröffentlichungen gemacht werden konnten. Wurde die Erzählung mündlich überliefert und nicht aus der Literatur übernommen, gab es zudem eine besondere Angabe zur „Art der Aufzeichnung: Unmittelbar aus dem Volksmunde wortgetreu aufgeschrieben oder nach Stichworten zusammengestellt, nach der Erzählung später aus der Erinnerung aufgezeichnet, nach längerer Erinnerung aufgezeichnet? (Zutreffendes unterstreichen!)“. Ebenfalls abgefragt wurde die "innere Einstellung" der Erzähler:innen zur von ihnen erzählten Geschichte.