Christiane Cantauw
Unter der Signatur Fr 141 findet sich in der Bibliothek der Kommission Alltagskulturforschung ein „Taschenbuch für die Besucher des Königlichen Bades Oeynhausen und seiner Umgebung“. Das 10,5 X 15,5 cm große, 192 Seiten umfassende Buch mit Soft-Cover ist 1904 in neunter Auflage im Verlag H. W. Völcker, Bad Oeynhausen erschienen und sollte Kurgästen dazu dienen, ihren Kuraufenthalt zu planen und sich während der Kur im Ort und in der Umgebung zu orientieren.
Dazu gehörten zum einen ein Überblick über die Indikationen, die einen Aufenthalt in Bad Oeynhausen sinnvoll erscheinen ließen, sowie zum anderen eine genaue Schilderung der möglichen Anwendungen vor Ort. Außerdem wartet das Büchlein mit Informationen über die Geschichte und geografische Lage des Ortes, mit Preisen und Tarifen für Kurmittel und Dienstleistungen, mit Auskünften zu Verkehrsverbindungen, Badeordnungen, der Polizei-Verordnung, Ausflugstipps und vielem mehr auf. Zahlreiche Werbeanzeigen für einzelne Beherbergungsunternehmen, Gastronomiebetriebe, bestimmte Anwendungen, Tabakwaren, Maggi, Kindernahrung, Korsetts, Zimmerfahrstühle, verschiedene Dienstleistungen oder „Photographische Apparate“ ergänzen den redaktionellen Teil des äußerlich recht unscheinbaren Taschenbuches.
Den Badebetrieb bei der in der Nachbarschaft des Dörfchens Rehme gelegenen Saline Neusalzwerk konzessionierte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1845. 1847 erhielt das Bad nach dem in der preußischen Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung beschäftigten Geheimen Bergrat Carl Freiherr von Oeynhausen, der bei der Bohrung nach Steinsalz auf eine sprudelnde Thermalsolequelle gestoßen war, den Namen Königliches Bad Oeynhausen. Es erfreute sich sehr bald eines regen Publikumszuspruchs. 1894 konnten bereits 6.533 Kurgäste gezählt werden; 1903 hatte die Anzahl der Badegäste mit 13.113 Personen die 10.000er Marke längst überstiegen. Gründe für die Beliebtheit des verhältnismäßig jungen Kurbades gab es viele: Da waren zum einen die verschiedenen Thermal- und Solequellen und die mondänen Badehäuser mit ihren zahlreichen Badezellen, zum anderen aber auch der von Peter Joseph Lenné, dem wohl berühmtesten Gartenbauarchitekten des 19. Jahrhunderts, in den frühen 1850er Jahren angelegte Kurpark sowie die Lese-, Konversations- und Musiksäle, die in der Saison dreimal täglich stattfindenden Kurkonzerte oder das örtliche Theater. Für die Unterhaltung der Kurgäste war also reichlich gesorgt.
Die ärztlich verschriebenen oder in Eigenregie unternommenen Bade- und in geringerem Ausmaß auch die Trinkkuren versprachen Heilung oder zumindest Linderung bei verschiedenen Krankheiten und Gebrechen wie rheumatischen Erkrankungen, Lähmungen, Muskelschwund, Neuralgien, Herzkrankheiten und „Ernährungsstörungen nach schweren Krankheiten“ (S.41). Sie sollten aber auch helfen bei vermeintlich typischen Frauenkrankheiten wie Hysterie und Nervenschwäche oder bei Störungen des Nervensystems „durch Verletzung und Schreck“ (S.42).