Herdfeuer, Herdheizung, Heizkamin

03.12.2021 Niklas Regenbrecht

Herdfeuer von 1780 auf einem Schulzenhof in Burgsteinfurt, Foto um 1940.

Andreas Eiynck

Gelten Schinken, Korn und Pumpernickel als Inbegriff traditioneller westfälischer Gastlichkeit, so ist das Herdfeuer ein Symbol für die Gemütlichkeit des alten Münsterlandes. So stellen sich manche Romantiker das jedenfalls rückblickend vor.

In manchen Gasthäusern im Münsterland empfängt es die Gäste bis heute mit einem unverwechselbaren Geruch und flackernden Holzscheiten. Herdfeuerabende gehörten zum Jahresprogramm vieler Vereine im „Heimatgebiet Münsterland“ und im Zeichen steigender Energiepreise sind zahlreiche Haushalte auf dem Lande auf Kaminholz als „nachwachsenden Rohstoff“ zurückgekommen. Aber gefeuert wird heutzutage in einem modernen „Heizeinsatz“ mit Rauchabzug und Glastür - damit man die Flammen auch sehen kann.

Herdwand von 1788 in einem Bauernhaus in Coesfeld, Foto um 1940.

Ein „echtes“ münsterländer Herdfeuer brennt offen und zu ebener Erde unter einem großen, mitunter riesigen Rauchfang. Die Rückseite der Feuerstelle bildet eine Herdwand aus Sandsteintafeln; unten häufig mit einer gusseisernen Kaminplatte verstärkt und oben gelegentlich mit einer Verkleidung aus niederländischen Wandfliesen.

Doch so sahen die Herdfeuer im Münsterland nicht immer aus. Bis in das 18. Jahrhundert brannte in den meisten Bauernhäusern ein offenes Feuer in einer Feuerkuhle mitten in der großen Küche. Einen Rauchfang, einen Schornstein und eine Herdwand gab es damals in den meisten Häusern noch gar nicht. Im „Müllerhaus“ auf dem „Mühlenhof“ in Münster ist eine solche urtümliche Situation in einem Bauernhaus von 1619 nachempfunden.

Herdfeuer auf einem Bauernhof in Coesfeld, Foto um 1930. Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.09751.

Nur in den Adelsschlössern sowie den vornehmen Bürgerhäusern und manchen öffentlichen Gebäuden in den Städten hatte man seit dem Mittelalter Wandkamine mit einer Einfassung aus Baumberger Sandstein. Diese Kamineinfassungen waren häufig verziert mit Ornamenten, Wappen und Inschriften. Im 16. Jahrhundert wurden auf manchen großen Schulzenhöfen solche Kamine im Saal oder auf der Upkammer eingebaut. In allen anderen Häusern auf dem Lande waren Kamine damals noch unbekannt.

Rauchfänge über den Küchenherdfeuern der Bauernhäuser im Münsterland lassen sich erst in der Zeit um 1700 nachweisen. Sie waren an den Deckenbalken befestigt und in der Rückwand der Küche verankert. Seitlich ruhten sie auf Kragsteinen, den sogenannten „Koppsteenen“ (wegen ihrer kopfähnlichen Form). Unterhalb der Kragsteine waren häufig schmale Sandsteinpfeiler eingebaut, sogenannte Pilaster, die als seitliche Einfassung der Herdwand dienten. Die Kragsteine und Pilaster wurden häufig mit Jahreszahlen und Initialen versehen, die Aufschluss über ihren Einbau und die damaligen Bauherren geben. Solche einfachen Herdwände mit Rauchfang waren auch in den Bürgerhäusern der münsterländischen Städte einst weit verbreitet.

Herdfeuer von 1793 in einem Bauernhaus in Saerbeck, Foto: Josef Schepers, um 1940. Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 1987.00987.

Erst später, ziemlich genau seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, sind im Münsterland Herdwände aus Sandsteintafeln nachweisbar. Sie boten mehr Platz als die „Koppsteene“ und zeigen daher häufig Namensinschriften und bildliche Darstellungen wie Hausmarken oder christliche Symbole. Die Dekoration der Tafeln bilden Ornamente aus dem Formenschatz des Spätbarocks, des Rokoko und des Klassizismus. Ältere Stilepochen sind nicht vertreten – ebenfalls ein deutlicher Hinweis, dass die Sandsteintafeln erst im 18. Jahrhundert aufkamen. Sie fanden dann aber rasche Verbreitung und waren im 19. Jahrhundert sozusagen Standard bei allen bäuerlichen Schichten, vom Kötter bis zum Schulzen.

Die gusseisernen Kaminplatten kamen häufig in Zweitverwendung an die Herdwände der Bauernhäuser. Bei den älteren Belegen handelt es sich überwiegend um Ofenplatten von eisernen Kastenöfen, die auf den Adelssitzen und in den reichen Bürgerhäusern seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar sind und erst im 18. Jahrhundert Einzug in die Bauernhäuser hielten. Mit der Gründung der Eisenhütten im Münsterland (Gravenhorst, 1806; Dülmen, 1842) wurden dort auch Kaminplatten hergestellt. Beliebt waren individuell angefertigte Eisenplatten mit eingegossenen Namenszügen, Jahreszahlen und Bildmotiven, die im 19. Jahrhundert weite Verbreitung fanden.

Herdfeuer im Umbauzustand von etwa 1930 in einem Bauernhaus in Horstmar-Leer, Foto: Andreas Eiynck, 2012.

Seit etwa 1870 wurde in vielen Bauernküchen unter dem Rauchfang eine „Kochmaschine“ aufgestellt, deren Rauch man mit einem Ofenrohr in den Schornstein führte. Daneben wurde das offene Herdfeuer aber noch lange weiterbetrieben – besonders, wenn man eigenes Brennholz kostenlos zur Verfügung hatte.

In den 1930er-Jahren wurden viele offene Herdfeuer zu Kaminfeuern umgebaut, bei denen das Feuer zwar noch offen, aber in einer tiefen Nische im Kaminblock brannte. Damit ging die Verräucherung der Küchen, die nun offenbar als störend empfunden wurde, deutlich zurück. Was blieb, war der direkte Abzug der Wärme durch den offenen Kaminzug. Die warme Luft wurde hier buchstäblich zum Schornstein hinaus geblasen.

Herdfeuer von 1747 mit modernem Heizeinsatz in Burgsteinfurt, Foto: Andreas Eiynck, 2013.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden in vielen Kleinbauernhäusern die offenen Feuerstellen ganz. An ihre Stelle traten sogenannte „Herdheizungen“, bei denen eine Zentralheizung mit Rohrleitungen an eine gewaltige Kochmaschine angeschlossen wurde. Beim Einbau der Heizung wurden die Kaminwand und der Rauchfang häufig baulich verändert. Der Wirkungsgrad dieser Heizanlagen war aber vergleichsweise gering und die Technik anfällig. Daher wurden zahlreiche Herdheizungen bald wieder ausgebaut.

Zu einem Revival der Herdfeuer führte dann in den 1970er-Jahren die Erfindung der „Heizeinsätze“. Sie zeichnen sich aus durch einen hohen heiztechnischen Wirkungsgrad, wobei das Feuer hinter einer sicheren Glasscheibe verborgen wird, aber doch sichtbar bleibt. Praktisch und gemütlich zugleich – das liebt der Münsterländer. Und so finden sich solche Herdfeuer hinter Glas heute in vielen Häusern auf dem Lande. Offene Herdfeuer sind dagegen auch im Münsterland heute eine große Seltenheit, die man eigentlich nur noch auf einzelnen traditionsbewussten Bauernhöfen oder in altmünsterländischen Gasthäusern findet.

Literatur:

Josef Schepers: Ofen und Kamin. In: Festschrift für Jost Trier zu seinem 60. Geburtstag am 15. Dezember 1954. Meisenheim/Glan 1954, S. 339-377.

Thomas Spohn: Vom Stubenofen zur Zentralheizung – vom beheizten Raum zur temperierten Wohnung. Novationen der Heiztechnik und Wandel der Raumnutzungsmuster seit dem 17. Jahrhundert. In: Bauernhausforschung in Deutschland und der Schweiz (= Jahrbuch für Hausforschung 63). Petersberg 2018, S. 347-368.

Andreas Eiynck: „Sprechende Herdfeuer“ – Die Entwicklung der Herdstelle im niederdeutschen Hallenhaus. In: Bauernhausforschung in Deutschland und der Schweiz (= Jahrbuch für Hausforschung 63). Petersberg 2018, S. 369-377.

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