Hochwasser- und Naturschutz am Forellenbach

16.10.2020 Kathrin Schulte

Die Weserstraße in Vlotho bei Hochwasser im Mai 1931. Foto: Kommunalarchiv Herford.

Hochwasser- und Naturschutz am Forellenbach

Vom klaren Gebirgsbach zur Betonwüste und wieder zurück

Sarah Brünger

Ein naturnaher Bach mäandert sanft durch die Landschaft. Lachse tummeln sich im Wasser – wie erfrischend, beruhigend und inspirierend! Aber wenn das Wasser als schlammige Brühe im Keller steht, dann hört der Spaß auf. So geschehen in der Vlothoer Innenstadt, in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar 1837. Schnell wurde der Müller Rennert aus der Mühlenstraße als Verursacher verdächtigt. Hatte er sein Stauwehr am Forellenbach wiederrechtlich derartig modifiziert, dass es den Fluss zum überlaufen brachte? Obwohl der Vlothoer Bürgermeister sich direkt der Sache annahm, konnte der Fall nicht abschließend geklärt werden. Später, am 18. August 1837, riss ein Hochwasser das gesamte Wehr fort. Erledigt war die Angelegenheit jedoch nicht. Beim umgehend geplanten Neubau des Wehres sah der Bürgermeister weitere Überschwemmungen auf sich zukommen. Von den zuständigen Behörden, dem Kreis Herford bzw. der Regierung in Minden, forderte er deshalb, dass der Forellenbach ober- und unterhalb des neuen Wehres „gehörig reguliert“ würde. Dies sei „seit jeher […] das einzige Mittel […], die Nachteile zu mildern, welche dies reißende Bergwasser […] alljährlich […] verursacht.“.

Flussregulierung – das bedeutete alles technisch Mögliche zu tun, um Gewässer berechenbarer und ihre Nutzung bequemer zu machen. Tatsächlich rangen die Menschen seit Jahrhunderten mit dem Forellenbach. Schon die erste urkundliche Erwähnung der Rennertschen Mühle datiert bereits auf das Jahr 1258. Ein intaktes Ökosystem war nebensächlich, ein Bach musste seinen Zweck erfüllen. Dazu gehörte auch, dass er überschüssiges Wasser rasch ableiten sollte, um Überschwemmungen abzuwenden. Veränderungen am Flusslauf blieben jedoch punktuell und vielerorts sah der Forellenbach lange noch aus, wie aus dem Urlaubsprospekt ausgeschnitten.

Als man den Spaten gegen große Bagger austauschte, änderte sich dies zunehmend. Bis zum Ende der 1970er Jahre waren die Menschen dem Forellenbach mit allerlei schwerem Gerät zu Leibe gerückt, hatte ihn begradigt, verrohrt oder kanalisiert. An vielen Stellen entstand eine zweckmäßige Landschaft, die das Leben leichter, aber nicht lebenswerter machte. Tiere und Pflanzen verschwanden zusehends. Erst dann besann man sich. Hatte man wenige Jahre zuvor noch vorbildlich betoniert, wurde Vlotho nun Vorreiter eines Artenschutzprojektes im Regierungsbezirk Detmold: Der Lachs – seit 1920 im Forellenbach ausgestorben – sollte wieder angesiedelt werden. Es begann 1987 im Keller von Dieter Redwanz. Der Gewässerwart des Angelsportvereins Schweicheln hatte dort 500 Lachse aus schottischer Brut großgezogen, um sie im Forellenbach anzusiedeln. Das Projekt fand so großen Anklang bei der Bezirksregierung, dass es mit staatlicher Unterstützung fortgesetzt wurde. Nachhaltige Erfolge konnten Ende der 1980er Jahre in Vlotho nicht nachgewiesen werden, in einigen Teilen Deutschlands ist der Lachs mittlerweile aber wieder heimisch.

Für die Wiederbelebung des Forellenbaches war mehr notwendig, als die Auswilderung von Jungfischen. Es mussten ökologisch vertretbare Konzepte gefunden werden, die Hochwasser- und Naturschutz vereinten. „Naturnahe Gestaltung“ wurde zum vielfach bemühten Schlagwort der Politik und gilt noch heute. Die EU gibt vor, dass bis 2027 die Fließgewässer in einen guten chemischen und ökologischen Zustand zu bringen sind. Im gemeinsam getragenen Gewässerentwicklungsprojekt „Weser-Werre-Else“ arbeiten die Kreise Minden-Lübbecke und Herford, sowie die Städte, Gemeinden und Wasserverbände seit 2004 an der Erreichung dieses Ziels. In der dicht bebauten Vlothoer Innenstadt ist der Spielraum zur naturnahen Gestaltung des Forellenbachs begrenzt.

Das Projektteam hat sich deshalb damit beholfen, insbesondere außerhalb der Innenstadt ökologisch intakte Bereiche zu schaffen, die ausgleichend wirken und in der Gesamtheit den Zustand des Baches verbessern sollen. Zehn größere und kleinere Einzelmaßnahmen wurden bisher umgesetzt. Weiterhin ist jedoch vieles im Fluss, damit die Landschaften lebendig und die Keller trocken bleiben.

 

Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 114, 24.09.2020, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.

Link: https://www.kreisheimatverein.de/wissen/hf-magazin/

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Schlagworte: Sarah Brünger · Tiere