Hollandgänger – ganz unromantisch
Andreas Eiynck
Ganze Dörfer waren den Sommer über wie leergefegt – jedenfalls was die Männer im arbeitsfähigen Alter betrifft. Frauen und Kinder verrichteten nun die Arbeiten im Garten, im Stall und auf den Feldern, während die Männer fern der Heimat im Akkord das Gras in den Marschen Frieslands mähten oder als Torfarbeiter in den Veengebieten schufteten. Die „Hollandgänger“ waren keine Abenteurer, sondern die Saisonarbeiter Europas von einst.
Darüber informiert eine gemeinsame Ausstellung des Emslandmuseums und des Fries Landbouw Museums, die nach einem erfolgreichen Start in Lingen ab August 2019 in Leeuwarden zu sehen sein wird. Eine gute Gelegenheit, nach dem Aufsehen erregenden Kulturhauptstadtjahr 2018 die friesische Metropole einmal in Ruhe zu besuchen. Denn das Fries Landbouw Museum wurde im vergangenen Jahr unter der Leitung von Henk Dijkstra völlig neu konzipiert und gestaltet.
Einst galt Friesland mit seiner hochspezialisierten Milchwirtschaft als „Butterkammer Englands“. Und um die Milchkühe auch im Winter gut bei Futter zu halten, waren die friesischen Marschenbauern bei der Heuernte auf die Hilfe der deutschen Grasmäher dringend angewiesen.
Eher unscheinbar sind die Artefakte, die in der Ausstellung die Geschichte der Wanderarbeiter von damals erzählen: Holzschuhe und Holzschuhstiefel als Relikte der Arbeitskleidung im Moor oder kleine Erinnerungsstücke, die einst als Mitbringsel für die Lieben daheim mitgebracht wurden. Amtliche Dokumente zeigen, wie die Behörden den Arbeiterstrom kontrollieren und lenken wollten – von der Steuererhebung bis zum Rücktransport erkrankter Hollandgänger. Aber auch private Dokumente wie Briefe oder Tagebücher erzählen die Geschichten aus einer Zeit, als man zur Wanderarbeit noch zu Fuß ging. Unspektakulär, aber eindringlich schildert die Ausstellung anhand ausgewählter Biographien die Sozialgeschichte der ländlichen Unterschichten von damals.
Hintergründe und Quellen zur Migration zwischen Deutschland und den Niederlanden vermittelt der neue Sammelband „Migrationsgeschichte in Nordwestdeutschland und den nördlichen Niederlanden“, herausgegeben 2019 von Marijn Molema und Meindert Schroor. Die als Band 1 der neuen „Benelux-German Borderland Histories“ an der ULB in Münster erschienene Publikation entstand aus dem „Geschichtsnetzwerk“ der Ems-Dollart-Region. Daran sind zahlreiche Archive, Museen und Institutionen aus Niedersachsen, Drenthe, Groningen und Friesland beteiligt (auch online verfügbar, Schnelllink: http://go.wwu.de/vu733).