Andreas Eiynck
Holskenmuseum Laer: Landhandwerk und Sozialgeschichte
Ein typisches Element der dörflichen Kultur Westfalens bildeten bis weit in das Industriezeitalter hinein die Werkstätten kleiner Handwerksbetriebe. Ihre Werkstattgebäude waren oft sehr einfach, teilweise sogar behelfsmäßig ausgeführt und wurden ständig den sich wandelnden technischen und betrieblichen Gegebenheiten angepasst. Nach einer Betriebsaufgabe wurden solche Gebäude meistens rasch abgebrochen. Die Anforderungen eines klassischen Baudenkmals sah man in diesen Fällen meistens nicht erfüllt und daher sind Werkstattgebäude von Handwerksbetrieben, anders als etwa Dorfkirchen, Bauernhäuser oder Landgasthöfe, im Denkmalbestand deutlich unterrepräsentiert, zumal sie sich auch nur schwierig umnutzen lassen.
Eine Ausnahme bildet das Holskenmuseum im Laer in Münsterland. Wer hier ein modernes Museumsgebäude mit allen Bequemlichkeiten für die heutigen Besucher erwartet, wird enttäuscht sein. Das kleine Gebäude bildet einen bunten Flickenteppich aus unterschiedlichen Baumaterialien. Es wurde 1935 als Holzschuhmacherwerkstatt mit einer kleinen Wohnung im hinteren Bereich errichtet. Seit der Eröffnung 1999 bietet es einen authentischen Einblick in die alltägliche Lebenswelt eines Holzschuhmachers und seiner Familie im Münsterland.
Das Holzschuhmacherhandwerk wurde lange Zeit vorwiegend im Nebengewerbe ausgeübt. Häufig zogen die Holzschuhmacher mit ihren wenigen Werkzeugen von Hof zu Hof, um als wandernde Handwerker bei ihren Kunden zu arbeiten. Daran änderte auch die Industrialisierung zunächst wenig. Der Erste Weltkrieg führte durch den Mangel an Lederschuhen zu einer gesteigerten Nachfrage nach Holzschuhen. Weil kriegsbedingt gleichzeitig Arbeitskräfte fehlten, wurden vermehrt Bohr- und Kopiermaschinen eingesetzt, um die Holzschuhfertigung zu rationalisieren. Viele nebengewerblich tätige Holzschuhmacher, für die der Einsatz solcher Maschinen zu teuer war, gaben den Beruf auf.
Hinzu kam in den 1920er-Jahren die Konkurrenz durch den Import ausländischer Holzschuhe, die aufgrund einseitiger Zollregelungen den deutschen Markt überschwemmten und auf die Preise drückten. Durch den vermehrten Einsatz von Kopier-, Bohr- und Putzmaschinen versuchten die Holzschuhmacher aus dem Münsterland, konkurrenzfähig zu bleiben. Hiervon profitierte nicht zuletzt die Maschinenfabrik Albert Jürgens in Emsdetten, die in den 1920er-Jahren zu einem führenden Hersteller von Holzschuhmaschinen avancierte.
Ab 1933 förderten die Nationalsozialisten mit ihrer Ideologie und einer neuen Wirtschaftsordnung auch das Landhandwerk. Der traditionelle Holzschuh galt nun als preiswertes Schuhwerk aus heimischer Produktion. 1938 gab es in ganz Deutschland rund 4.500 Holzschuhmacherbetriebe, von denen etwa ein Drittel ihren Standort im Münsterland hatten. Als Mittelpunkt des Holzschuhgewerbes galt die Stadt Coesfeld, wo 1938 sogar eine Holzschuhmesse stattfand, mit der die Holzschuhmacher auf die Bedeutung ihres Berufszweiges aufmerksam machten.
In diese Zeit der staatlichen Förderung des Holzschuhmacherhandwerks fällt auch die Gründung der Holzschuhmacherei Bäumer in Laer im Jahre 1935. Bauherr war der Holzschuhmachermeister Clemens Bäumer, der im vorderen Bereich seines bescheidenen Wohnhauses eine Holzschuhmacherwerkstatt einrichtete. Welche Maschinen dort ursprünglich aufgestellt waren, ist leider nicht überliefert, doch ist unwahrscheinlich, dass die Holzschuhe damals noch in reiner Handarbeit hergestellt wurden. Pfahlmesser und Räumhaken, die beiden typischen Werkzeuge der Holzschuhmacher, blieben für die finale Ausformung der Holzschuhe aber auch bei Maschineneinsatz weiterhin in Gebrauch.
In der Kriegs- und Nachkriegszeit profitierte das Unternehmen davon, dass Holzschuhe als Ersatz für Lederschuhe wieder gefragt waren. Nach der Währungsreform 1948 ging der Absatz allerdings rasch zurück. Als sich die Weiterführung des Betriebes Bäumer durch den gleichnamigen Sohn Clemens Bäumer (1936-2018) abzeichnete, wurden 1955 deshalb gebrauchte, aber effizientere Maschinen für die maschinelle Herstellung von Holzschuhen angeschafft. Damit war die Weiterführung des Betriebes gesichert.
Später richtete Clemens Bäumer als einer der letzten noch tätigen Holzschuhmacher im Münsterland in der früheren Wohnung und in Teilen seiner Werkstatt eine private Sammlung von Holzschuhen und Holzschuhmacherwerkzeugen sowie vielen weiteren Exponaten rund um das Thema Holzschuhe ein. Die Holzschuhe stammten nicht nur aus dem Münsterland, sondern auch aus Holland, Belgien und Frankreich sowie in einzelnen Exemplaren aus aller Welt.
1995 erwarb der Heimatverein Laer das Werkstattgebäude samt Inventar und Holzschuhsammlung. Im Jahr darauf wurde es in die Denkmalliste der Gemeinde Laer eingetragen und anschließend begann die Restaurierung mit dem Ziel der Einrichtung als Holzschuhmuseum mit Museumswerkstatt. Dank finanzieller Unterstützung der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, weiterer Förderer und viel Eigenleistung des Vereins konnte das Museumsprojekt zeitnah umgesetzt werden. 1999 öffnete das Holskenmuseum seine Türen für die Öffentlichkeit.
Entsprechend dem Charakter des Gebäudes als Museumswerkstatt sind die Räumlichkeiten sehr beengt. Die Besuche erfolgen in der Regel als Gruppenführungen mit Vorführung der Holzschuhmachergeräte und Maschinen. Dabei müssen die aktuellen Sicherheitsvorschriften für die ehrenamtlichen Mitarbeiter wie für die Besucher beachtet werden. Die Holzschuhsammlung ist in der früheren Wohnung der Familie Bäumer untergebraucht, die in Küche, Upkammer und Keller in Teilen auch noch mit dem originalen Mobiliar ausgestattet ist.
Der Werkstattraum enthält neben einer Vorführwerkstatt für die handwerkliche Herstellung von Holzschuhen auch den voll funktionsfähigen Maschinenpark der Werkstatt Bäumer von 1955. Für Besuchergruppen bleibt da wenig Platz. Eine Führung mit Vorführung der wichtigsten Gerätschaften und Maschinen durch ehrenamtliche Mitarbeiter und dauert etwa eine Stunde. Da in Laer heute keine professionell ausgebildeten Holzschuhmacher mehr zu Verfügung stehen, müssen sich die Ehrenamtlichen die notwendigen handwerklichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen ihrer Tätigkeit selber aneignen.
Schwierig ist es, das ganze Jahr über frisches und gut zu bearbeitendes Holz bereitzuhalten, wie es für die Herstellung von Holzschuhen eigentlich notwendig ist. Aufwendig ist es außerdem, die Klingen und Schneiden der Eisenwerkzeuge immer scharf zu halten.
Ein natürlicher Feind jedes Handwerksmuseums sind bekanntlich Holzwürmer und andere Schädlinge, die sich überall, wo Holz und Wärme vorhanden sind, pudelwohl fühlen. Gefährdet sind dabei grundsätzlich die hölzernen Teile aller Werkzeuge, im Falle des Holskenmuseum aber auch die Holzschuhe selber.
Holzschuhmacherwerkzeuge und Maschinen für die Holzschuhfertigung gibt es in vielen Heimatmuseen und Heimathäusern in Nordwestdeutschland. Aber mit dem authentischen Produktionsort in der engen Werkstatt unter einem Dach mit der kleinen Wohnung bildet das Holskenmuseum in Laer doch einen Sonderfall. Hier werden nicht „alte Handwerkskünste“ präsentiert, sondern der Alltag und die Sozialgeschichte einer Holzschuhmacherfamilie im Münsterland vermittelt.
Holskenmuseum Laer, Terup 25, 48366 Laer
Anmeldung zur Besichtigung beim Heimatverein Laer e.V
Herr Norbert Surmund, Tel.: 02554 / 427
E-Mail: holskenmuseum@heimatverein-laer.de
Literaturhinweise:
Bernard Bült: Holzschuhe und Holzschuhmacherhandwerk im westlichen Münsterland. Ein Beitrag zur Geschichte und Volkskunde des westfälischen Handwerks. Vreden 1980.
Karl G. Heinisch: Holzschuhmacher. In: Hinrich Siuts: Bäuerliche und handwerkliche Arbeitsgeräte in Westfalen. Die alten Geräte der Landwirtschaft und des Landhandwerks 1890-1930. Münster 1982, S. 238-243.