Ein europäischer Weltenbrand vor Ort: Das Kirchspiel Holzhausen und der Siebenjährige Krieg (1756–1763)

18.10.2022 Niklas Regenbrecht

Jean de Beaurain, Die Schlacht bei Minden, nach 1759, Wikimedia (gemeinfrei).

Sebastian Schröder

Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) versetzte ganz Europa in Angst und Schrecken. Auch im Kirchspiel Holzhausen (heute Ortsteil der Stadt Preußisch Oldendorf) machte sich diese schwerwiegende Auseinandersetzung bemerkbar, in die alle europäischen Großmächte involviert waren. Die Kriegshandlungen hatten auch unmittelbare Auswirkungen auf die Eingesessenen der hiesigen Bauerschaften, wie der Provisor oder Verwalter des kirchlichen Vermögens der Gemeinde Holzhausen, Ernst Heinrich Lindemann (1723–1796), schilderte. Mit seinen Aufzeichnungen wolle er seinen „Nachkommen Zeigen, Wie in Eüropa der Krieg sich regiret Hat.“ Im Folgenden wird beschrieben, wie der Provisor die schweren Gefechte sowie die Truppendurch- und -einmärsche wahrgenommen hat.

1756 schickte der preußische König seine Armee nach Sachsen. An der Seite Preußens standen Braunschweig, Hessen und das Königreich England. Gegen diese Mächte hatte sich eine Allianz gebildet, der der österreichische Monarch, das russische Reich, Polen, Schweden und Frankreich angehörten. Ein weiterer wichtiger Kampfplatz war Schlesien, in das die kaiserlich-habsburgischen Heere einmarschiert waren. Unerbittlich fochten hier die Konfliktparteien; Lindemann bezeichnete die Gefechte in Schlesien als „ein rechtes Bludt-Badt“, in denen „Manich tausend, oder Million tausen[d] seele geblieben“ seien. 1757 kam der Krieg dann auch nach Nordwestdeutschland, als französische Truppenverbände auf Geheiß des Kaisers gen Osten zogen. Schon bald hatten sie Münster, Osnabrück, Lippstadt, Bielefeld, Herford, Minden, Bremen, Hameln sowie Hannover eingenommen und forderten sogleich von der Bevölkerung Kriegszahlungen, sogenannte Kontributionen. Die Eingesessenen des Kirchspiels Holzhausen waren ebenfalls dazu verpflichtet. Sie hatten Heu und Hafer abzuliefern. Des Weiteren waren den französischen Einheiten Fuhrdienste zu leisten: Weizen, Gerste, Hafer, Heu und Mehl mussten von einem Ort zum anderen geliefert werden. Täglich habe man nach Bielefeld, Minden oder Oldendorf reiten müssen. Folglich stiegen die Preise für Pferde stark an: 1761 habe ein Ross über 180 Reichstaler gekostet, wenige Jahre zuvor seien es lediglich 30 oder 40 Reichstaler gewesen, wie Lindemann über die inflationäre Preisentwicklung klagte.

Angst und Panik machten sich vor dem Einmarsch der Franzosen breit: „Wir Menschen gerieten in solche Thorheit, wie die Franzosen Kommen wolten, liefen wir mit weib und Kindern, mit Pferde und Kühen, mit pak und sack alles in den Berg, die Berge alhier waren so Voller Menschen, das er wimmelte; aber das wärete nicht lange, Musten wir wieder Nach Hause gehen; wir Meinen, der Franzose wolle uns freßen, aber anfänglich giengen die Franzosen freündlich mit uns um und thaten uns nichts Zu leide. Das sie aber keine freünde wären, solches ist leicht Zu dencken.“

Im März 1758 schritten hessische und braunschweigische Verbände zum Gegenangriff. Husaren aus Hessen und zwei hannoverische Regimenter passierten dabei unter anderem das Kirchspiel Holzhausen. Truppen unter dem Kommando des Prinzen von Holstein waren hier sogar acht Tage einquartiert. Am 18. März bezog Herzog Ferdinand von Braunschweig sein Lager auf dem Rittergut Holzhausen. 14.000 Angehörige des Trosses sollen an diesem Tag in den umliegenden Gehöften genächtigt haben, wie Lindemann behauptet. Die Lage muss dramatisch gewesen sein: „Es Blieb aber alhier kein Zaun, kein Planke, keine Hecke, kein schlag-Baum, kein weiden-Baum stehen. Alles, Alles wurd Ruiniret und Ver Brand Ver-wüstet, die gärtens wurden alle fahr-wege, man kennete nicht den selben Ort.“ Aufgrund des gewaltigen Durchmarsches konnte Pfarrer Johann Elert Seemann (1713–1769) am Palmsonntag, dem 19. März, keinen Gottesdienst halten. Ohnehin waren alle Einwohner Holzhausens als Boten eingespannt. Insgesamt dauerten die Truppenbewegungen drei Tage. Die französische Armee konnte bei Krefeld über den Rhein zurückgedrängt werden.

Im Juli 1759 gingen die Franzosen wiederum zum Gegenangriff über und erreichten alsbald das Mindener Land. Am 1. August 1759 kam es zu einer „Bataile“ zwischen Großbritannien, Preußen, Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Kassel einerseits gegen die Allianz der französischen und sächsischen Machthaber vor den Toren der Festungsstadt Minden. Später sollte dieses Geschehen als „Schlacht bei Minden“ Eingang in die Geschichtsbücher finden. Schenkt man den Äußerungen Lindemanns Glauben, sollen 13.000 französische Soldaten ihr Leben auf dem Schlachtfeld bei Todtenhausen gelassen haben. Nach der vernichtenden Niederlage wurden die Franzosen aus dem Mindener Gebiet vertrieben. Insbesondere in Hessen-Kassel seien die Auswirkungen der Kämpfe aber deutlich zu spüren gewesen, wie Lindemann notierte: „Es hat Aber kein land Mehr gelitten in hisiger gegende Als das Arme Heßen Land, es Wurde nicht gesäet, auch nicht gepflüget, etliche Jahre, das in solcher landschafft Kein Brod Blieb, theils mit Krieges-Verheerung, auch mit die schweren Einquartirung Beladen wurde. Was Aber die hiesige landschafft Betraff, hattens die leute doch Noch Beßer, Wegen Einquartirung Wurden sie Noch Mit Verschonet.“

Wechselnde Koalitionen führten schließlich dazu, dass sich die Situation deutlich wandelte. Allmählich war der Habsburgerhof in Wien recht isoliert – die Macht des Kaisers schwand, fand Lindemann. 1761 verhandelten Preußen und Russland einen Friedensvertrag; England und Frankreich schlossen im November 1762 Frieden.

Am 15. Februar 1763 unterzeichneten schließlich auch der preußische König Friedrich II. (1712–1786) – „Welcher Jetzund der große König in Preußen genand wird“ – und die Vertreter Österreichs einen Friedensvertrag, den „Hubertsburger Frieden“, „Worüber gantz Europa sich freüen Mach, das solches Blut-Vergiesen ein Ende“ genommen. „Gott der Herr aber, der hat die Hertzen der Könige in seiner Hand und kan sie lencken, wie die Waßer Bächen, der kan ein Verderben oder Krieg in daß land schicken, und gibt Frieden Nach seinen alweisen abgemässeten Ziel, der hat Auch den lieben Frieden gegeben“, frohlockte Ernst Heinrich Lindemann.

Insgesamt war der Chronist dankbar, dass das Kirchspiel Holzhausen von den schlimmsten Verheerungen und Kriegseinwirkungen verschont geblieben war. Zwar hätte niemand gedacht, dass man jemals so „schmertzhaffte leiden“ zu erdulden habe. Doch Gott habe die Gemeinde vor noch größerem Übel bewahrt, wie es andere Ortschaften hätten erfahren müssen.

 

Quelle: Archiv der Kirchengemeinde Holzhausen, Nr. 2: Aufzeichnungen über Ereignisse, Unglücksfälle und Kriege, 1759–1792.