Katastrophenschutz vor 250 Jahren. Die „Brandordnung in der Haupt- und Residenz-Stadt Münster“ von 1770

13.11.2020 Niklas Regenbrecht

Stadtbrand in Vreden 1811, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, 0000.65431.

Andreas Eiynck

Seit dem Mittelalter erließen Städte und Landesherrn Brandschutzordnungen unterschiedlichster Art – vom vorbeugenden Brandschutz und der Feuerstättenschau über die Ausgestaltung der Feuerstellen bis zum Umgang mit offenem Feuer und Licht. Eine besondere Feuerordnung war jedoch die vor genau 250 Jahren erlassene „Brandordnung in der Haupt- und Residenz-Stadt Münster“ vom 27. November 1770. Sie wurde nämlich vom damaligen Landesherrn Max Friedrich von Königsegg-Rothenfels erlassen, der dafür in der Stadt Münster eigentlich gar nicht zuständig war. Darauf wird im Vorspann der Brandordnung ausdrücklich hingewiesen mit der Begründung, man wolle mit der landesherrlichen Brandordnung die Anordnungen des Rates rechtlich auf eine sichere Grundlage stellen und den Sachverhalt sowie die Verantwortlichkeiten deutlich machen. Die Feuerordnung für die Landeshauptstadt war also eine Art Mustersatzung, die von anderen Städten und Landschaften ganz oder in Auszügen übernommen oder modifiziert werden konnte.

 

Historische Brandbekämpfung, Freren 1913, Bildarchiv des Emslandmuseums Lingen.

Hintergrund war sicherlich die Einführung der Feuerversicherung im Fürstbistum Münster zwei Jahre zuvor. Nicht alle waren 1768 von der Idee einer allgemeinen Pflichtversicherung für alle Gebäudeeigentümer begeistert. Manche Kritiker befürchteten, eine Versicherung könne zu leichtfertigem Umgang mit dem Brandschutz und im Einzelfall auch zu Missbraucht führen. Andererseits entstand durch eine einheitliche Landesbrandkasse aber auch eine bessere, statistisch abgesicherte Wissensgrundlage für die Ursachen und die Abläufe von Brandunglücken. Die münsterische Brandordnung war also eine unmittelbare Reaktion auf die Einführung der Brandversicherung. Dabei wurden viele Abschnitte aus älteren Polizei- und Feuerordnungen übernommen, aber den aktuellen Verhältnissen von 1770 angepasst.

Die Brandordnung ist in drei Abschnitte gegliedert: „in dem ersten wird dasjenige, was zur Vorbiegung der Feuers-Brünsten zu veranstalten und respective abzuschaffen sey, in dem Zweyten, wie man sich bei Entstehung einer Feuers-Brunst zu verhalten habe, und in dem Dritten, was nach gelöschtem Feuer zu beobachten sey, vorgeschrieben“. Insbesondere der erste Teil gibt Einblicke in die Art und Ausgestaltung häuslicher und gewerblicher Feuerstätten in der Zeit um 1770 und ist daher auch eine wichtige Quelle zur Alltagsgeschichte.

Die Brandordnung unterscheidet zwischen den offenen „Feuerstätten“ mit einem „Rauchfang“ und den „Öfen“, deren Rauch durch „Ofenpfeifen“ abgeleitet wird. Sie stehen in „eingeheizten Stuben“. Die Feuerstätten müssen mit einem gemauerten Schornstein ausgestattet sein, der vom Schornsteinfeger regelmäßig kontrolliert und gekehrt wird. Außerdem heißt es: „Ein jeder Hauswirth muß sich selbsten angelegen seyn lassen, alle Abend das Feuer mit einer eisernen Feuerdämpfe wohl versichert zu verwahren“ – das offene Feuer musste also mit einer Feuerstülpe abgedeckt werden. Demnach war die übliche Feuerstelle in einem münsterischen Bürgerhaus um 1770 noch mit einem offenen Herdfeuer ausgestattet.

Hinweise auf Heu und Stroh auf den „Dehlen, welche nicht von den Küchen abgesondert sind“ zeigen nicht nur die große Bedeutung der Landwirtschaft, sie schildern auch 1770 noch Häuser ohne Trennwand zwischen Küche und Diele. Auf der Diele stand damals das Vieh, welches „bey Abends oder Nachtzeit nicht anderst, als bey einer Laterne“ gefüttert werden sollte, also nicht in Schein einer Fackel, einem Kienspan oder einer offenen Kerze. Dreschen, Häcksel schneiden und alle Tätigkeiten beim Umgang mit dem leicht entzündlichen Flachs werden als besonders brandgefährlich beschrieben.

Als gewerbliche Feuerstätten nennt die Brandordnung von 1770 Backöfen, Malzdörren, Braupfannen, Brandweinkessel und Brandweinblasen, Schmiedeessen, Brenn- und Schmelzöfen sowie Färbekessel. Die gesamte gewerbliche Produktion spielte sich ja in Werkstätten in der dicht bebauten Altstadt innerhalb der heutigen Promenade ab. Dort befanden sich Bäckereien und Altbierbrauereien, Kornbrennereien, Schmieden und Färbereien, in denen tagtäglich bei offenem Feuer mit brandgefährlichen Materialien und Anlagen hantiert wurde. Doch auch die Krämer in der Stadt waren betroffen, denn sie handelten unter anderem mit Schießpulver.

Ein besonderes Kapitel ist dem Tabakrauchen gewidmet. Dessen sollte man sich „auf den Straßen und an allen Orten, wo leicht feuerfangende Materialien vorhanden sind, gänzlich enthalten“. Meister, Gesellen und Arbeitsleute der namentlich genannten Tischler, Maurer, Zimmerleute und Dachdecker werden vor den Feuergefahren durch Tabakpfeifen besonders gewarnt und mit hohen Strafen bedroht – auch heute noch sind Baustellen ja häufig der Ausgangspunkt von Brandkatastrophen (z.B. in Notre Dame). Doch auch Wirtshausgäste, Erntearbeiter und Drescher sowie Soldaten und Offiziere werden aufgefordert, sich beim Tabakrauchen vorsichtig zu verhalten. Es handelte sich also offensichtlich um ein Männerproblem.

Knechten wie Mägden wurde hingegen verboten, „Feuerkohlen über die Straße mit Feuerschüppen, oder nicht zugedeckten Geschieren“ zu tragen. Herrschaften übten diese Tätigkeit offensichtlich nicht aus.

Wer die ganze Brandordnung von 1770 nachlesen möchte, kann dies in dem Buch von Clemens August Schlüter über das Provinzialrecht des Fürstenthums Münster, erschienen 1829 bei Brockhaus in Leipzig, und online hier: https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/content/titleinfo/4360562