Katholische Kinokultur gegen Skandalfilme
Von Dörthe Gruttmann
Fast jeder hat schon einmal von dem Skandalfilm „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef von 1951 gehört. Skandalträchtig galt er aufgrund der angesprochenen Themen Prostitution, Selbstmord und Tötung auf Verlangen, deren bildliche Darstellung gegen kirchlich-moralische Ansprüche verstieß. Dieser Film ist das bekannteste Beispiel aus einer ganzen Reihe von Filmen, die aufgrund ihres Inhalts aus religiöser Sicht verurteilt wurden. Die Auswirkungen dieser Ablehnung machten sich besonders auch in Klein- und Großstädten bemerkbar, die eine überwiegend katholische Bevölkerung hatten, wie beispielsweise in der münsterländischen Kleinstadt Billerbeck. Denn die Zensur der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) war nicht deckungsgleich mit der gewünschten Zensur der katholischen Filmkommission, die ein eigenes Bewertungssystem für Filme verwendete.
Welche Filme katholischen Moral- und Wertvorstellungen entgegenstanden oder als kulturell wertvoll angesehen wurden, wurde seit 1949 in der von der Katholischen Filmkommission für Deutschland herausgegebenen Zeitschrift „Film-Dienst“ Millionen von Deutschen mitgeteilt. Aushänge der Filmbewertungen gab es z.B. in den Schaukästen der Gemeinden und Pfarreien. Auch in Billerbeck, einem wichtigen Wallfahrtsort im Bistum Münster, der als Sterbeort des ersten Münsteraner Bischofs Ludgerus teils überregionale Bekanntheit erlangte, wurden in den 1950er Jahren diese Bewertungen wahrgenommen und von der städtischen Führungsschicht als vorbildhaft akzeptiert.
Das 1948 von dem aus Berlin zugezogenen protestantischen Ehepaar Mischke im Saal eines Hotels behelfsmäßig eingerichtete Kino „Union-Theater“ mit 350 Sitzplätzen sollte sich nach Auffassung vieler Billerbecker Einwohner auch der katholischen Lebenswelt anpassen. Daher war das Entsetzen groß, als im Kino am Vorabend des Jugendbekenntnistages 1952 mit dem Film „Eva und der Frauenarzt“ Spätvorstellungen eingeführt wurden. Ein Brief unterschiedlicher Parteien, der in der Lokalzeitung Billerbecker Anzeiger einige Tage später veröffentlicht wurde, drückte die Ansicht aus, dass nicht nur der Film, sondern auch Spätvorstellungen an sich unhaltbar für die örtlichen ländlichen Verhältnisse und eine christliche Einstellung seien. Der städtische Kulturausschuss hatte zuvor in einer Sitzung über den Film diskutiert, der vom Film-Dienst abgelehnt wurde, aber trotzdem sehr gut besucht war.