„Kattenknüppel Helau“. Ein Fastnachtsbrauch an der westfälisch-emsländischen Grenze

15.02.2021 Dorothee Jahnke

Die Katze in der Kiste. Foto: Andreas Eiynck.

Andreas Eiynck

 

Einst bildeten die heutigen Gemeinden Schapen im Emsland und Hopsten im Münsterland ein gemeinsames Kirchspiel. Doch seit dem Jahr 1400 verlief mitten durch die Bauerschaft Borken die Landesgrenze zwischen dem Fürstbistum Münster und der Grafschaft Tecklenburg, später zwischen der preußischen Provinz Westfalen und dem Königreich Hannover, heute zwischen NRW und Niedersachsen.

Im 19. Jahrhundert wurde über diese Grenze viel geschmuggelt. Damals soll der Überlieferung nach auch der Brauch des „Kattenknüppelns“ entstanden sein. So berichtete es jedenfalls Karl Hofhues (1930-2020) in einem Interview 2015 dem Emslandmuseum. Und Hofhues Karl, das weiß jeder in Schapen, der musste es wissen, denn der wohnte sein Leben lang an der Bramhofstraße und war von Kindheit an dabei.

Einer der Schmuggler fuhr häufig nachts mit einer Kiste voller Schmuggelgut von Schapen nach Hopsten und kehrte tagsüber mit der leeren Kiste über die offizielle Zollstraße nach Schapen zurück. Bald hatten die Zöllner ihn auf dem Kieker und kontrollierten jeden Tag seine Kiste, die aber immer leer war.

Eines Tages wurde es dem Schmuggler zu bunt. Er steckte eine Katze in die Kiste, und als die Zöllner den Behälter öffneten, sprang die Katze hinaus und sauste auf einen Baum. Da der Mann ja nachweislich nichts geschmuggelt hatte, forderte er von den Zöllnern, die Katze wieder einzufangen, sie hätten schließlich die Kiste geöffnet und das Tier entwischen lassen.

Nun versuchten die Zöllner, die Katze vom Baum zu locken und als das nicht gelingen wollte, warfen sie mit Knüppeln nach dem armen Tier, um es vom Baum herunter zu bewegen.

Mittlerweile waren etliche Bewohner des Bramhofes hinzugeeilt und es gab ein großes Spektakel, bei dem die verhassten Zöllner natürlich die Dummen waren.

Zur Erinnerung an dieses große Ereignis, so wusste es Karl Hofhues zu berichten, veranstalten seitdem die jungen Leute vom Bramhof alljährlich zur Fastnacht das „Kattenknüppeln“, und zwar dicht an der Grenze in der Bauerschaft Bramhof.

Und wenn nun die Brauchtumsexperten diese Version anzweifeln und darauf verweisen, dass es doch in Dänemark das Katzenschlagen zur Fastnacht und im Übrigen viele Parallelen zu anderen Fastnachtsbräuchen wie Gänsereiten oder Hahnentreten gibt (alles nichts für Tierfreunde!), dann ist das den Bramhöfern herzlich egal.

An einem Samstagmorgen in der Karnevalszeit schwärmen sie aus, um – bunt kostümiert und mit einer Teufelsgeige bewaffnet – an den Haustüren um Eier und Mettwürste zu bitten. Ein Trinkgeld und Alkohol werden auch gerne genommen. Letzteren gibt es an diesem Tag ohnehin reichlich. Die Rollen und Kostüme sind genau festgelegt: Das „Eierwief“, das in einem Korb die Eier einsammelt, der „Herr“, ihr Mann, der „Wurstsammler“ mit der „Fleschkgaffel“, der „Chef“ mit dem Zylinder, der alles organisiert, der „Düwel“ mit der Teufelsgeige und die übrigen Gecken.

Das ist stets ein anstrengender Tag für die Aktiven, nicht nur bei Regen und Schnee. Frühstücks- und Mittagspause sind fest eingeplant, danach rasch noch ein Stündchen auf’s Ohr, denn es geht ja noch weiter.

Abends treffen sich die Fastnachtsgecken in einer Gaststätte, um gemeinsam die Beute des Tages zu verzehren. Viele Kneipen gibt es nicht mehr in Schapen. Von alters her traf man sich zum Kattenknüppeln beim Wirt Wilmer im „Bunten Paol“, der früheren Grenzkneipe mit der Zollschranke an der Straße nach Hopsten, dicht vor der Landesgrenze. Doch als der Schapener Pfarrer von der Kanzel herab gegen dieses „heidnische Brauchtum“ wetterte, wollte Wilmer die Feier nicht mehr im Hause haben. Man wich aus in den Gasthof Lüttmann am Markt, aber der wurde später geschlossen. Mittlerweile ist man im letzten noch bestehenden Schapener Dorfgasthof mitten im Dorf angekommen. Dies hat dazu geführt, dass sich am „Kattenknüppel-Abend“ auch andere Gruppen und Gäste dort einfinden, um dem Schauspiel beizuwohnen.

Zu vorgerückter Stunde wird ein Galgen mit einer daran hängenden Kiste aufgestellt. In der Kiste befindet sich eine Katze (früher eine lebende, heute eine aus Stoff). Der Reihe nach werfen nun die jungen Leute nach der Kiste, die sich allmählich in ihre Einzelteile zerlegt.

Wer den entscheidenden Wurf tut und die Katze aus der Kiste befreit, ist „Kattenknüppel-König“ oder „Kattenknüppel-Königin“, und das ist nicht nur auf dem Bramhof, sondern in ganz Schapen und sogar in Hopsten eine große Ehre. Der Sieger darf eine Königin bzw. einen König auswählen, um dann gemeinsam mit einem Ehrentanz den Tanzabend zu eröffnen. Einen kleinen Preis gibt es auch.

Meistens wird es eine lange Nacht – soweit die Kräfte noch reichen.

Früher waren die jungen Leute vom Bramhof die informellen Träger dieses Brauches. Das sind sie heute auch noch, aber mittlerweile gut organisiert als e.V., mit Satzung und einer eigenen Homepage, auf der neben Terminen, Neuigkeiten und Geschichtlichem auch die Teilnahmebedingungen und Formalitäten einzusehen sind: www.kattenknueppelverein-schapen.de

Der Ortsteil Bramhof ist nur eine kleine Bauerschaft mit wenigen Haushalten. Einige alte Höfe sind in den letzten Jahrzehnten untergegangen, neue Besitzer von auswärts zugezogen. Nicht alle können mit dem alten Brauch etwas anfangen. Junge Leute auf dem Bramhof sind also rar. Da ist es wichtig, dass möglichst viele Bramhöfer mitmachen und die Sache für alle Beteiligten attraktiv bleibt. Doch darum muss man sich derzeit in Schapen keine Sorgen machen.

Und so heißt es dort sicherlich noch lange: Kattenknüppel Helau!