Dass sich über die Person des Kirchenschweizers die Möglichkeit eröffnete, die Einhaltung von Regeln durchzusetzen, war sicherlich einer der Hauptgründe seitens der Kirchen, Kirchenschweizer einzustellen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert war ihre Beschäftigung jedoch nicht überall üblich. Darauf weist in der zeitgenössischen westfälischen Zeitungsberichterstattung die explizite Hervorhebung des Amtes im kirchlichen Kontext hin. Für einige Kirchengemeinden wie St. Lamberti in Münster oder St. Laurentius in Arnsberg waren Kirchenschweizer das Mittel der Wahl, wenn das Kirchengebäude beispielsweise an den kirchlichen Hochfesten dem Ansturm des Kirchenvolkes nicht gewachsen war. Denn in solchen Fällen erwies es sich als sinnvoll, dass der Einlass geregelt und der Platz in den Kirchenbänken zugewiesen wurde.
Kirchenschweizer hinderten das Kirchenvolk am Schlafen, Essen, Rauchen oder Lärmen in der Kirche ebenso wie daran, hinter den Bänken am Eingang stehen zu bleiben. Die nachdrückliche Aufforderung, sich hinzusetzen, war wohl der Unsitte vieler männlicher Kirchenbesucher geschuldet, während der Predigt die Kirche zu verlassen, um draußen zu rauchen oder in der nahegelegenen Gastronomie einen Schnaps zu trinken. Wenn die Kirchgänger ganz hinten in der Kirche standen, konnten sie unauffällig das Gebäude verlassen und auch wieder hereinkommen. Das sahen die Pastöre aber gar nicht gern und drangen darauf, dass die Sitzplatzbenutzung in der Kirchenordnung festgeschrieben wurde.
Die Kirchenschweizer übten ihr Amt zumeist nebenberuflich aus. Ihre Hauptberufe, die in Zeitungsberichten genannt wurden, zeigen, dass es nicht unbedingt die wohlhabenderen Gemeindemitglieder waren, die dieses Amt antraten. So ist von einem Fabrikarbeiter, einem Schreinermeister, einem Schneidermeister und einem Schulwärter die Rede, die das Zubrot gut gebrauchen konnten. Diese Konstellation dürfte auch der Grund für Konflikte zwischen Schweizern und Kirchgängern und -gängerinnen gewesen sein. Letztere setzten sich, teils auch handgreiflich oder gerichtlich, gegen Anweisungen der Kirchenschweizer zur Wehr. In Arnsberg fühlte sich der Propst 1902 daher aufgefordert, in der Zeitung darauf hinzuweisen, dass „der Kirchenschweizer in Vertretung des Herrn Propstes bei seinen Weisungen das Hausrecht ausübt und ihm daher Jeder unweigerlich Folge zu leisten“ habe. Zuwiderhandlungen hätten in der Vergangenheit auch rechtliche Konsequenzen gezeitigt, nämlich Gefängnisstrafen von 14 Tagen bis zu acht Wochen (Central Volksblatt f. d. Regierungsbezirk Arnsberg, 26.3.1902).
Dass die Kirchenschweizer ihrerseits in dem ein oder anderen Fall das nötige Augenmaß vermissen ließen, verwundert nicht. Letztlich verlieh das Amt den Akteuren eine gewisse Macht, mit der nicht jeder umgehen konnte: So kam es beispielsweise im Fall des Kutschers Weber aus Rheine-Eschendorf vor der Münsterschen Strafkammer zum Freispruch. Am 8. April 1912 hatte der sich in die St. Dionysius-Pfarrkirche begeben, um dort der Messe beizuwohnen. In der Nähe der Kirchentüren war die Kirche so voll, dass es Weber wohl nur schwer möglich war weiterzugehen. Als der Kirchenschweizer ihn aufforderte, Platz zu nehmen, weigerte er sich. Ein weiterer Kirchenschweizer wurde herbeigerufen und der sich wehrende Weber aus der Kirche geworfen. Der Staatsanwalt verfolgte den Fall, weil man eine Störung der Kirchenordnung vermutete. „Das Gericht war jedoch der Auffassung, daß die Kirchenschweizer gar nicht berechtig gewesen seien, den Angeklagten allein aufzufordern. Die Aufforderung hätte vielmehr auch an die rechts und links neben Weber stehenden Personen gerichtet werden müssen.“ (Westf. Merkur, 12.9.1912)
Zur Zäsur in der Geschichte der Kirchenschweizer wurde die Liturgiereform, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Mitte der 1960er Jahre mit der Zelebration versus populum, der Hinwendung der Priester mit dem Gesicht zum Volk, die Messfeiern grundlegend veränderte. Nun hatte der Pastor seine Schäfchen selbst im Blick, die bisher hinter seinem Rücken Unfug treiben konnten. Er benötigte während der Messfeiern keinen speziellen Ordnungshüter mehr.
Der kirchliche Laienberuf des Kirchenschweizers verschwand in der Breite und damit auch ein wenig Prunk. Denn den Feierlichkeiten verlieh der Auftritt der Schweizer – teils begleitet vom zeremoniellen Aufstampfen des Stabes – ein besonderes Gepräge, ein wenig Glanz dürfte dabei auch auf ihre Person gefallen sein.