Kreisreform und Altkreis-Kennzeichen

21.03.2025 Niklas Regenbrecht

Erinnerungen an den Protest gegen die Kreisreform. Dieses Protestschild sah man an 'gefühlt 80 Prozent' der Fahrzeuge im Kreis Tecklenburg. Archiv Kreisheimatbund Steinfurt (Foto: Andreas Eiynck).

Autokennzeichen sind in Deutschland mehr als ein Nummernschild, denn ihr Anfangskürzel macht sie zu einem unverwechselbaren Merkmal für die Heimatstadt (MS, OS, DO, PB, BI) oder die Heimatregion (HSK, LIP) der Fahrzeughalter:innen. Aufgrund ihres hohen Bekanntheitsgrades und ihres quasi amtlichen Charakters stehen diese Kürzel in den Medien und in der Werbung oft als Symbol für städtische oder ländliche Räume.

Beliebt sind bei entsprechender Buchstabenfolge auch kurze Wörter auf dem Kennzeichen, etwa EL-SE, EL-KE oder EL-SD. Ein weiterer Aspekt ist die scherzhafte Deutung der Buchstaben als Abkürzungen. Da steht BOR für Bauer ohne Rücksicht, COE für Chaos ohne Ende, NOH für niemals ohne Heiland oder gar MS für Mistsau. MS-LK wird zum Beispiel gedeutet als „Mistsau lass knacken“ und als Anfang der 70er-Jahre der Nottulner Bürgermeister Hubert Kellermann mit seinem neuen Nummernschild MS-HK von der Kreisverwaltung in Münster nach Hause fuhr, wurde diese Abkürzung vor Ort scherzhaft, aber eindeutig interpretiert.

Nach der Kreisreform in Nordrhein-Westfalen zum Jahresanfang 1975 kamen Kennzeichen in Mode, bei denen die Kürzel der neuen Großkreise mit denen der Altkreis kombiniert wurden, etwa BOR-AH, COE-LH oder ST-TE. Sie sollten die Identifikation der Fahrzeughalter:innen mit dem „untergegangenen“ Altkreis dokumentieren und waren mitunter auch ein stiller Protest gegen die Kreisreform.

Doch auch bereits während der Kommunalen Neugliederung spielten die Autokennzeichen als Propagandamittel eine wichtige Rolle, denn bald nach der Veröffentlichung des Gutachtens der Expertenkommission zur Neugliederung 1968 sah man in den betroffenen Altkreisen und kreisfreien Städten Protestschilder und Aufkleber in der Form eines Nummernschildes mit dem einprägsamen Spruch: „BOH muss bleiben“ oder „LH muss bleiben“.

Entsprechend bedruckte Pappschilder wurden im Rahmen der Proteste gegen die Bildung des Großkreises Steinfurt ab etwa 1970 auch im Tecklenburger Land in Umlauf gebracht. Eine Zeitzeugin erinnert sich: „‘TE muss bleiben‘, -so konnte man Anfang bis Mitte der 70er-Jahre gefühlt bei 80 Prozent aller PKW im ehemaligen Kreis Tecklenburg auf einem Schild lesen.“

Beim 'Hearing' der Neugliederungskommission 1972 prangte das Schild 'TE muss bleiben' am Rednerpult (Kreisarchiv Steinfurt).

Verhindert hat diese Aktion die Bildung des ungeliebten Großkreises nicht und ab dem 1.1.1975 wurden von den Zulassungsstellen auch keine neuen Nummernschilder mit den Kürzeln der Altkreise BF für Burgsteinfurt und TE für Tecklenburg mehr ausgegeben. Für die Kreisverwaltung war die Sache damit erledigt und bis 2013 waren durch die kontinuierliche Abmeldung von Altfahrzeugen die mit BF-Nummernschild auf 666 und mit TE-Kennzeichen auf 608 zurückgegangen. Zumeist handelte es sich dabei um ältere Anhänger und landwirtschaftliche Fahrzeuge.

Doch im April 2013 überraschte eine Initiative der FDP aus dem Tecklenburger Land den Kreistag mit dem Vorschlag, das alte Kennzeichen TE wieder einzuführen. Die Verwaltung war dagegen, aber der Vorschlag fand eine Mehrheit und noch während der Sitzung erfolgte nun von Seiten der CDU-Mehrheitsfraktion die Forderung, auch das Nummernschild BF wieder zuzulassen.

Ab dem 22. Mai 2013 waren Reservierungen möglich und mehrere tausend Fahrzeughalter:innen sicherten sich umgehend ihr Wunschkennzeichen mit dem Altkreiskürzel. Die Nachfrage nach TE war dabei eindeutig größer als der Wunsch nach BF. Ab dem 3. Juli 2013 wurden die neuen Nummernschilder ausgegeben und nach einem halben Jahr fuhren schon 4187 Fahrzeuge mit dem Altkreiskennzeichen TE sowie 2167 mit BF über die Straßen des nördlichen Münsterlandes. Spitzenreiter war übrigens die Stadt Ibbenbüren mit 1588 zugelassenen TE-Nummernschildern.

2013 wurde das Kennzeichen TE wieder eingeführt.

Ende 2019 hatten die Altkreis-Kennzeichen im Kreis Steinfurt die Zahl von 80.000 überschritten. Etwa zwei Drittel davon zeigten das Kürzel TE. Damit gehört dieses Kennzeichen zu den beliebtesten Altkreis-Nummernschildern in Deutschland.

„Immerhin haben wir uns das TE-Kennzeichen zurückerkämpft“ bemerkte eine Zeitzeugin 2025 bei einem Gespräch über die Kreisreform 1975 und ihre Folgen für die Bevölkerung im Tecklenburger Land.

Tatsächlich erreicht das Kürzel TE eine starke Identifikation mit der Region „Tecklenburger Land“, die unter diesem Namen auch als Urlaubsregion vermarktet wird. Für BF fehlt eine solche Zuordnung, denn der neue Kreis heißt ja Steinfurt, mit dem Kürzel ST, und die alte Stadt Burgsteinfurt ist seit 1975 Teil der neuen Stadt Burgsteinfurt mit dem Verwaltungssitz im Ortsteil Borghorst. Und auch der Kunstbegriff „Steinfurter Land“ konnte sich gegen die landläufige Bezeichnung „nördliches Münsterland“ nicht durchsetzen.

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Schlagwort: Andreas Eiynck