Kriegervereine: Zwischen Geselligkeit, Fürsorge und Aufrechterhaltung militärischer Traditionen (Teil 2)

08.02.2021 Dorothee Jahnke

Kriegerfest in Hagen 1928. Foto: Hermann Tell. Archiv für Alltagskultur, Inv.-Nr. 2004.02497.

Dörthe Gruttmann

 

[Fortsetzung – Teil 1 hier]

Nicht nur in der Kaiserzeit hatten die Kriegervereine, die sich mehrheitlich im 1899/1900 gegründeten Dachverband „Deutscher Reichskriegerbund Kyffhäuser“ (Kyffhäuserbund) sammelten, einen großen Zulauf zu verzeichnen. Auch nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg waren viele Vereine in den 1920er und 1930er Jahren weiterhin aktiv – sowohl in Städten als auch auf dem Land.

So waren es nach 1918 in der Regel die Kriegervereine, die die Errichtung von Kriegerdenkmälern initiierten. Diese Denkmäler wurden im Laufe der Zeit in ihrer Widmung angepasst und erweitert und sie wurden regelmäßig – z. B. am Volkstrauertag – in ein öffentliches Erinnern eingebunden. Dass Kriegervereine feste Bestandteile der dörflichen oder (klein-)städtischen Gesellschaft waren, zeigt sich unter anderem an den von ihnen organisierten Festen wie Kriegerfeste, Manöver, nationale Feiern, Einweihungen oder Jubiläen, zu denen nicht nur viele andere Vereine, die politische Führungsschicht (Bürgermeister, Gemeinderäte, Amtsvorsteher), sondern auch Geistliche erschienen.

Der Billerbecker Kriegerverein führte in den 1920er und 1930er Jahren so umfangreiche Manöver durch, dass diese zu wahren Tourismusmagneten und Volksfesten avancierten. Ein typischer Ablauf war hierbei ein Treffen der Vereinsmitglieder, Veteranen und sonstigen Beteiligten sowie Schaulustigen am Kriegerdenkmal, von wo es dann gemeinsam zum jeweiligen „Kriegsschauplatz“ in einer der umliegenden Bauerschaften ging. Dort angekommen, wurde eine Kriegserklärung verlesen – verbunden mit einer Befehlsausgabe. Im Grunde ging es im Anschluss darum, dass die eine Hälfte des Kriegervereins einen bestimmten Ort (zum Beispiel eine Anhöhe, ein Gehöft oder Teile der Stadt) von der als Feind verkleideten anderen Hälfte eroberte, oder es wurden historische Vorbilder gewählt wie zum Beispiel die Varusschlacht, die 1934 nachgespielt wurde. Das Manöver selbst konnte ein paar Stunden dauern, bevor man nachmittags zum gemütlichen Teil mit Essen und Trinken überging. Mit einem Manöverball fand der Tag dann seinen Ausklang. Zum Manöver 1930 kamen damaliger Schätzung zufolge an die 1.000 Schaulustige. Um historische Genauigkeit ging es hierbei nicht, jedoch wurde ein immer größerer Aufwand betrieben, um militärische Stärke darzustellen.

„Besonderes Interesse fanden die z.T. neu hinzugekommenen Kriegshandlungen: Die U-Bootbasis der Marine auf dem Holthauser Teich, wo das Kanonenboot ‚Iltis‘ kreuzte, ferner die Militärbrieftauben, die Tanks, Panzer- und Lazarettwagen, der Marketender und besonders die 2 Flieger kreisten fast eine halbe Stunde lang über dem Manövergelände, […] und machten verschiedene Male Schleifen über der Stadt und um ihre Kirchtürme. […] Nach einem Zug durch die Stadt fand vor dem Kriegerdenkmal eine schneidige Parade mit allen Kriegsgeräten u. Fahrzeugen pp statt“ (Heinrich Fasse, Geschichtliche Nachrichten aus dem Amte Billerbeck, 1925–1932, ungedruckt, Billerbeck 1951, S. 89f.).  

In der NS-Zeit wurden jedoch auch die Kriegervereine gleichgeschaltet und dem NS-Reichskriegerbund angegliedert.

Nach 1945 und der Niederlage des Weltkrieges war in Deutschland jede militärische und soldatische Tradition „moralisch desavouiert“ (Geschichte der Krieger-, Kameraden- und Reservistenvereine in Deutschland, S. 11). Seit Anfang der 1950er Jahre waren Soldatenverbände jedoch wieder erlaubt. „So kam es 1957, nach dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO und nach Aufstellung der Bundeswehr, zur Gründung eines Dachverbandes, dem Ring Deutscher Soldatenverbände (RDS), mit mehr als vierzig Verbänden“ (ebd.), der sich erst 2005 wieder auflöste. Insgesamt waren die neu oder wiedergegründeten Krieger- und Soldatenvereine aber weniger in der lokalen und regionalen Öffentlichkeit präsent. Ursache hierfür war in erster Linie eine veränderte gesellschaftliche Einstellung zu Krieg und Militärtraditionen. Mit dem Reservistenverband der Bundeswehr, dem Kyffhäuserbund (der sich als Reservisten- und Schießsportverband präsentiert) sowie dem Bayerischen Soldatenbund (BSB) mit über 1.000 angeschlossenen „Ortskameradschaften“ (https://bsb1874ev.de/index.html, abgerufen am 28.01.2021) beispielsweise prägen heute ganz unterschiedliche Vereinigungen die überregionale Traditionspflege der deutschen Soldaten.