Der größte Teil der Denkmäler bezieht sich jedoch auf Tote der beiden Weltkriege. Obwohl das Ende des zweiten Weltkrieges allgemein für die radikale Abkehr vom Kriegsheldenkult steht, passte sich die Wortwahl nur langsam an. So werden Mitte der 50er Jahren z.B. noch in Rödinghausen, Löhne und Spenge Spenden für die Errichtung eines „Kriegerehrenmals“ bzw. einer „Ehrenstätte“ für die Gefallenen gesammelt. Spätere Installationen tragen immer häufiger den Namen „Mahnmal“.
Eine etwa ab dem ersten Weltkrieg übliche Form des Erinnerns, ist das Anlegen von personalisierten Gräbern an den Kriegsschauplätzen auch für einfache Soldaten. Nach Kriegsende stellte sich die Frage, wie mit diesen Gräbern umzugehen sei, wo Angehörige doch häufig viel zu weit weg lebten, um sich um die Pflege zu kümmern. Bereits der Versailler Vertrag verpflichtete die Unterzeichner zur Instandhaltung der Kriegsgräber, sowie zum gegenseitigen Austausch über Tote und Gräber. Auf dieser Grundlage wurde 1919 der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. gegründet, mit dem Zweck, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. Heute betreut er noch 832 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten, auf denen etwa 2,8 Millionen Kriegstote bestattet sind und organisiert Veranstaltungen zur aktiven Auseinandersetzung mit der Geschichte.
Eine Mammutaufgabe der Kriegsgräberfürsorge war nach dem zweiten Weltkrieg zu bewältigen. In langen Listen wurden die Gräber im Kreis Herford (damals noch ohne die Stadt Herford) aufgelistet. Aufgrund von Neumeldungen und Umbettungen sind die Daten sehr dynamisch. Es werden Gräber von etwa 260 deutschen Soldaten und 80 zivilen Opfern gezählt. Hinzu kommen Gräber ausländischer Tote. Laut der frühsten im Kommunalarchiv Herford erhaltenen Listen von 1948 gehörten hierzu Gräber von 25 russischen, 7 französischen und 2 anderen alliierten Soldaten. Daneben gab es 69 Gräber von Zwangsarbeitern.
Allgemein gilt in weiten Teilen Europas der Grundsatz, dass Kriegsgräber dauerhaft zu erhalten sind. In Deutschland ist dies seit 1922 auch gesetzlich verankert. Trotzdem war der Umgang mit den Kriegstoten nach 1945 sehr unterschiedlich. Viele Deutsche wünschten sich eine Umbettung ihrer Angehörigen auf heimische Friedhöfe, doch aus Angst vor einer unbeherrschbaren Antragsflut, schloss die deutsche Regierung diese Option zunächst kategorisch aus und öffnete sich dem Wunsch der Angehörigen nur zögerlich. Umbettungen erfolgten insbesondere innerhalb Deutschlands, um die Kriegstoten an zentralen Orten zusammenzufassen und so die durch den Bund getragene Grabpflege zu erleichtern.
Die Französische Regierung hingegen setzte viel daran, die umgekommenen Staatsangehörigen in die Heimat zurückzuholen und sandte zu diesem Zweck sogenannte Exhumierungs-Delegationen aus. Am 21.3.1950 wurden auf dem Friedhof in Enger sterblichen Überreste des Zwangsarbeiters Auguste Grosmesnil exhumiert und gegen 12:30 Uhr der französischen Delegation übergeben. Diese verbrachte sie an einen nicht genauer bekannten Ort in Frankreich. Die freigewordene Grabstätte wurde neu belegt. Dort ruht nun der Obergefreite Herbert Ziegert, den man noch am selben Tag von Mennighüffen nach Enger umgebettet hat – vermutlich, aus den beschriebenen Gründen der Arbeitserleichterung bei der Grabpflege.
Einen eigenen Kurs schlug die sowjetische Regierung ein. Bereits am 30.8.1945 besichtigte ein Offizier im Amt Enger das Grab der Zwangsarbeiterin Antonia Oleschansk, um sich von dessen ordentlichen Zustand zu überzeugen. Im September wurde von sowjetischer Seite verfügt, dass auf deutschen Friedhöfen mit sowjetischen Toten ein Gedenkstein aufzustellen sei, der in deutscher, russischer und englischer Sprache die Aufschrift „Hier liegen Sowjetunionsgenossen begraben, die in faschistischer Gefangenschaft in den Jahren 1942-1945 gestorben sind“ zu tragen hätte. Außerdem waren Einzelgräber mit einer 20x30 cm großen Grabtafel zu kennzeichnen. Am 25.2.1950 erfolgte eine letzte Besichtigung. Danach wurde das sowjetische Grab in Enger, sowie die meisten übrigen Gräber in Nordrhein-Westfalen, den deutschen Behörden zur weiteren Pflege übereignet. Wie viele andere Zwangsarbeiter auch, ist Antonia Oleschansk in späteren Jahren auf die Kriegsgräberstätte in Schloß Holte-Stukenbrock umgebettet worden.
In Enger sind der sowjetische Gedenkstein, sowie die Gräber von Antonia Oleschansk und Auguste Grosmesnil nicht erhalten geblieben, aber an vielen anderen Orten im Kreis Herford stehen sie noch, die Kriegerdenkmäler, Mahnmale und Kriegsgräber.
Können wir sie als Überbleibsel einer Realität, die längst nicht mehr die unserer ist, getrost ignorieren? Müssen wir Denkmäler und Gräber von Zeichen fragwürdiger Ideologie befreien, um diese ein für alle Mal auszulöschen? Oder begegnen wir der Vergangenheit besser, indem wir ihre Zeugnisse erhalten, sie dabei aber kommentieren, diskutieren und versuchen, aus ihnen zu lernen?
Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 119, 15.12.2021, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.
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