„Qualitätsmargarine und künstlerische Tierbilder“. Ein Beispiel aus der Welt der Sammelbilder

28.04.2023 Niklas Regenbrecht

Sammelbild "Zebrafink", gezeichnet von Johannes Poppen, 1933.

Niklas Regenbrecht

An der Wende zum 20. Jahrhundert besaßen Sammelbilder und die dazugehörigen Alben enorme Popularität. Die Kunst im Kleinformat gehörte zum Konsumalltag. Es handelte sich dabei um zumeist kunstvoll gestaltete Bildkarten, die von den Herstellern bestimmter Produkte ihren Verpackungen beigegeben wurden. Darunter waren vor allem Kaffee, Schokolade, Zigaretten oder so wunderlich erscheinende Produkte wie Fleischextrakt. Die Anfänge reichen bis in das Jahr 1840 zurück, als der Schokoladenhersteller Stollwerck begann, zunächst die Produktverpackungen mit künstlerischen Bildgestaltungen zu versehen. Einige Jahre später wurden die Abbildungen dann auf separate Bildkarten losgelöst. Die passenden Sammelalben wurden ebenso verkauft oder waren kostenfrei erhältlich. Ersonnen aus Marketinggründen und zur Markenbindung entwickelte das Sammelwesen bald ein Eigenleben.

Doppelseite aus dem Voss-Kunstbilder-Sammelalbum "Das Tierreich".

Dem Ansporn der Kundschaft, die eigenen Sammlungen zu komplettieren, stand eine Art Wettbewerb der Hersteller gegenüber, die interessantesten, kunstvollsten oder exotischsten Bilderserien herauszugeben. Dabei setzte man nicht nur auf namenlose Illustratoren, sondern auch auf zeitgenössisch schon bekannte Künstler wie etwa Adolph von Menzel oder Max Liebermann. Die Themen der Bilderserien waren so unterschiedlich wie die Produkte, denen sie beilagen: von Ortsansichten, Zeppelinen, Wappen, Trachten, historischen Ereignissen, Kunstwerken verschiedenster Stile, Militär oder Märchen bis hin zur Tierwelt.

Ein Beispiel aus dem Bereich der Tierwelt waren die Sammelbilder der Hamburger Margarine-Werke von Hinrich Voss. Die Margarinefabrik war 1904 in Hamburg gegründet worden und gab zwischen 1931 und 1934 in 14 Serien über 500 Sammelbilder heraus. Zwischen 1951 und 1953 wurden diese Serien neu aufgelegt und vier passende Alben herausgegeben. Jedes Sammelbild enthielt die gemalte Darstellung einer Tierart. Einem selbstauferlegten Bildungsauftrag gemäß, waren auf den Rückseiten zoologische Beschreibungen abgedruckt.

Der Großteil der Voss-Sammelbilder wurde von den beiden Hamburger Künstlern Johannes Poppen (1893-1944) und Rudolf Fredderich (1886-1976) als idealisierende Darstellungen gezeichnet. Als Vorbilder dienten womöglich Zootiere sowie Präparate naturkundlicher Museen (Hinrichsen/Kunst 2001).

Der Besitzer des Sammelalbums klebte hier eine Feder des abgebildeten Erlenzeisigs ein.

Im Archiv für Alltagskultur in Westfalen sind die ersten drei der vier Sammelalben überliefert, die bis auf wenige Lücken vollständig sind. Sie entstammen dem Besitz eines Lehrers aus dem Kreis Minden. Dessen beiliegende Korrespondenz mit den Hamburger Margarine-Werken, in der es um die Vervollständigung seiner Sammlung ging, legen nahe, dass er diese auch in seinem Schulunterricht verwendete. Ein Umstand, den auch das Vorwort der Neuauflage von 1951 aufgriff: „Uneingeschränkte Anerkennung – nicht zuletzt der Schulen – haben uns aber auch gezeigt, daß die künstlerische, naturgetreue Wiedergabe der Tiere und ihrer Umgebung, sowie die naturkundlich einwandfreie, lebendige Darstellung ihrer Art und Lebensgewohnheiten unsere Absicht verwirklicht hatten: aus dem lebendigen Stoff des Daseins heraus eine Belehrung und Unterhaltung für jung und alt zu schaffen.“

Mit diesem „Sonderscheck“ ließen sich fehlende Bilder bestellen.

Als Anfang der 1950er Jahre die Neuauflage der Voss-Bilder erschien, war der Zenit der Sammelbilder und die verbreitete Begeisterung, die sie auslösten, bereits überschritten. Der Medienwandel und der drucktechnische Fortschritt sorgten dafür, dass es nichts Besonderes mehr war, ein Farbbild oder ein gedrucktes Kunstwerk im Miniaturformat in den Händen zu halten. Später aufkommende Sammelartikel, wie etwa Fußball-Sammelbilder bzw. Aufkleber konnten daran nicht mehr in dem gleichen Umfang anknüpfen.

Doppelseite aus dem Voss-Kunstbilder-Sammelalbum "Das Tierreich" (Ausschnitt).

Quellen und Literatur:

Voss-Kunstbilder, Sammelalbum Das Tierreich, Band 1-3, Archiv für Alltagskultur in Westfalen, K02863.0000.

Hinrichsen, Torklid / Kunst, Barbara: Das Tierreich in Bildern. Voss-Sammelbilder [Ausstellungskatalog], Husum 2001.

 

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Schlagworte: Niklas Regenbrecht · Nahrung · Tiere