Das Land des Lächelns: Fotoband von Martin Langer zeigt den Alltag in der westfälischen Provinz

12.10.2021 Niklas Regenbrecht

Einband Martin Langer: Das Land des Lächelns.

Christiane Cantauw

Im Verlag Seltmann ist in diesem Jahr ein Fotoband erschienen, der Menschen und ihren Alltag zu Beginn der 1980er Jahre beleuchtet. Die 79 Schwarzweißfotografien aus dem querformatigen Band stammen von Martin Langer, der in den 1980er Jahren in Bielefeld Fotografie-Design studiert hat. Als fotografischer Flaneur hat er sich seinerzeit durch die Stadt treiben lassen und alltägliche Szenen eingefangen. Das Ergebnis dieser Erkundungsgänge liegt nach 40 Jahren nun in Buchform vor.  

Fotografie aus Martin Langer: Das Land des Lächelns.

Langer ist mittlerweile ein gefragter Fotograf mit Wohnsitz in Hamburg, der sich in den Bereichen Reportage, News-Features, Corporate und Street Photography einen Namen gemacht hat und dessen Fotografien in den großen Museen und Ausstellungshallen gezeigt werden. Zu Beginn der 1980er Jahre stand er noch am Anfang seiner Karriere. Die in dem Fotoband abgedruckten Bilder zeigen gleichwohl, worauf es ihm ankommt: Er will Menschen nicht als Kunstobjekt zeigen, sondern als mit einer Alltagswelt Konfrontierte. Einkauf, Arbeit, Freizeit – all das und noch viel mehr müssen sie bewältigen. Die von ihm Portraitierten tun das nicht immer als Handelnde, sondern teils auch als staunend Beobachtende oder Irritierte.

Die Entscheidung für Schwarzweißfotografien schafft eine gewisse Distanz zu den Fotografien, die der Sache guttut. Der Kabarettist Erwin Grosche, ein Kenner der Region, fasst das in seinem lesenswerten Nachwort so zusammen: „Bielefeld nähert man sich immer am besten in Schwarzweiß. Alles Bunte wirkt dort aufgesetzt.“

Langer zeigt uns Szenen einer Stadt, wie sie alltäglicher kaum sein können. Effekthascherei ist diesen Fotografien und den darauf Portraitierten völlig fremd. Selbst Bodybuilder-Meisterschaften oder Miss-Wahlen sind in diesem Kosmos keine glanzvoll choreographierten Events, sondern zeigen sich von ihrer alltäglichen Seite und reihen sich ganz selbstverständlich in die Fotos vom Schlussverkauf oder vom Arbeitsleben ein.

Langer erspart der/dem Betrachter:in nichts, weder die unrasierten Achseln einer jungen Frau noch das Spaghetti-Wettessen oder den Anblick Sonnenbadender vor einer grauen Häuserfront. Und trotzdem: Er stellt seine Protagonist:innen nicht bloß, sondern nimmt sie überhaupt erst einmal wahr. Die meisten von ihnen sind nicht schön und nicht hässlich, nicht reich und nicht arm, viele sind alt, manche stehen mitten im Leben, andere eher abseits. Aber was sie auch sind und wie sie auch sind, Langer schafft es, den/die Betrachter:in für sie einzunehmen.

Fotografie aus Martin Langer: Das Land des Lächelns.

Eines meiner Lieblingsbilder ist übrigens dasjenige von zwei betagten Damen, die sich einen Regenschirm teilen. Eine der Frauen – sie trägt eine dieser praktischen Regenhauben für die Handtasche – hat den Fotografen bemerkt und versucht sich für die Kamera an einem Lächeln – eine Regung, die in dem Fotoband nur höchst selten zu sehen ist. Wer die Kamera nicht bemerkt, zeigt der Welt ein anderes Gesicht, selbst dann, wenn es Gästetücher für nur eine Mark zu kaufen gibt. Alltag ist augenscheinlich ein ernstes Geschäft!