Christof Spannhoff
Woher kommt das einst gebräuchliche Schimpfwort „Galgendieb“? In den Wörterbüchern des 19. Jahrhunderts kann man lesen, dass damit ein Dieb bezeichnet worden sei, der das Erhängen am Galgen als Strafe verdiene. Aber ist das die richtige Erklärung? Die Quellen aus der Zeit, als Schwerverbrecher noch aufgeknüpft wurden, lassen ein anderes Motiv dieser Schmähbezeichnung erkennen.
Im Winter 1694/95 wurde auf dem Holperdorper Schultenhof Varwig im Kirchspiel Lienen in der Grafschaft Tecklenburg Kindtaufe gefeiert. Dazu waren auch Verwandte aus dem gut 20 Kilometer nordöstlich gelegenen Westerkappeln eingeladen. Als sich diese nach ausgiebiger Feier zu Fuß auf den Heimweg machten und am Anwesen des Bauern Sudenfeld im benachbarten Hagen (am Teutoburger Wald) im Hochstift Osnabrück vorüberkamen, begannen sie mit „einem grausamen Geschrey, rufend mit voller Stimme ‚Ihr Hagenschen Galgendiebe, habt ihr nicht dem Gograffen zu Tecklenburg einen Dieb aus dem Galgen gestohlen?‘“ Gemeint war damit der Hinrichtungsplatz auf dem Galgenknapp im benachbarten Kirchspiel Lengerich, der an der Straße nach Osnabrück und etwa 4,5 Kilometer vom Hof Sudenfeld entfernt lag. Und dieser Vorwurf scheint nicht aus der Luft gegriffen gewesen zu sein. Denn 1695 erhob der junge Sudenfeld Klage vor dem Brüchtengericht, Werner Tecklenburg habe ihn als „Galgendieb“ bezichtigt und behauptet, sein verstorbener Vater sei mit dabei gewesen, als sie den Leichnam vom Galgen abgenommen hätten. Hier ist ein „Galgendieb“ also die Beschimpfung für jemanden, der einen Leichnam von der Richtstätte gestohlen hatte.