Die Liebe in Löhne…

20.04.2021 Niklas Regenbrecht

Koffer und Schuhe mit einer Liebesgeschichte. Foto: Sonja Voss.

Sonja Voss

Krisen und Kriege bestimmen häufig den Alltag in der Berichterstattung. Was aber dem Museum zur Überlieferung und Aufbewahrung angeboten wird, ist oft von ganz anderer Qualität: Viele Stücke, die als bewahrenswert angesehen werden, sind Zeugnisse besonderer menschlicher Beziehungen. Von Andenkenbildern über Hochzeitskleider und Geschirr, das zur Silberhochzeit verschenkt wurde, bis zu gerade entstandenen Liebesschwüren als Bahnhofs-Graffiti reichen die Liebesbekundungen, die das Museum gesammelt hat.

Das Graffito an der Wand kam von Herzen. Foto: Sonja Voss.

Manche Stücke erzählen aber auch vom Umfang der Prostitution im Umkreis, einem uralten, spektakulären Giftmord an der ungeliebten Ehefrau oder den materiellen Nöten, in die Höfe in früheren Zeiten durch die festgelegten Brautschatz-Verschreibungen kommen konnten. Daneben gibt es rührende kleine – und größere – Denkmäler für Elternliebe zu sehen. Von Andenkenbildern für die verstorbene Tochter bis hin zu einer hölzernen Gedächtniskirche für den Sohn sind sehr persönliche Erinnerungsstücke in die Sammlung gelangt.

Es soll also nicht nur um „die“ romantische Liebe gehen: Zum einen zeigt sich auch in den Ausstellungsstücken, wie sich die Vorstellung von dem, was wir heute mit dem Begriff verbinden, über die Zeit gewandelt hat. Und wie verschieden die Idealvorstellungen von Ehe und Familienleben waren und sind. Der erst einmal nicht besonders museal wirkende Koffer landete als Symbol für eine große Liebe im Museum. Er stammt von einer „Neu-Löhnerin“, die mit kaum mehr im Gepäck mit ihm auf dem Bahnhof in Löhne ankam. Zu der Zeit, als dieser Koffer modern war, lebte sie auf Norderney, wo sie einen Löhner kennenlernte. Sie verliebten sich, sie zog nach Löhne, heiratete und blieb. Den Koffer und weitere Erinnerungsstücke gab sie vor gut 1 ½ Jahren mit der zugehörigen Geschichte an das Museum. Auch ein paar Schuhe gehört zu den Ausstellungsstücken. In ihnen hat Heinrich Tacke aus Löhne um 1907 Friederike Nottelmann geheiratet. Die Schuhe gelangten als besonderes Erinnerungsstück 2019 ins Museum, zusammen mit einer (rein zahlenmäßigen) Liste der Nachkommen (Stand 2019): 5 Töchter, 4 Enkelkinder, 6 Urenkel, 11 Ururenkel, 1 Urururenkel.

Das Poppensiekersche Brautbett war Teil einer Mitgift. Foto: Sonja Voss.

Zum anderen bedienen diese rührenden Beispiele ein Ideal, dass es tatsächlich erst seit gut 250 Jahren gibt. Unsere Vorstellung romantischer Liebe ist kaum mit der gängigen Hochzeits- und Heiratspolitik zu vergleichen, die lange Zeit die Weitergabe von Haus und Hof, Titeln und Rechten gesichert hat. Hierfür muss man sich nicht gleich die Heiratspolitik großer Herrscherhäuser vornehmen. Die hier in der Region üblichen Brautschatzverschreibungen, in denen niedergelegt wurde, welche Aussteuer Frauen (und Männer) bekamen, wenn sie heirateten, sprechen Bände. In den Akten, die den Höfen der heutigen Stadt Löhne zuzuordnen sind, wird sichtbar, dass auch auf dem Land kaum außerhalb der eigenen „Klasse“ geheiratet wurde. Wobei feine Abstufungen zwischen den Hofgrößen sichtbar werden. Das schönste Exponat zum Thema Brautschatz ist sicher das so genannte Poppensiekersche Brautbett, das als Dauerleihgabe im Museum steht. Es gehörte zur Mitgift von Christine Louise Engel Poppensieker, die 1862 heiratete.

Die eher „dunkle Seite“ der Liebe in Löhne klang mit den wirtschaftlichen Verflechtungen schon an. Aus dem Brüchtenregister der Vogtei Gohfeld zum Beispiel lässt sich noch heute ablesen, wer im 17. Jahrhundert ein „Hurenhaus gehalten“ hat oder wegen Ehebruchs angeklagt wurde. Und dies ist nicht der letzte Hinweis auf käufliche Liebe in der „verkehrsgünstig“ gelegenen Region. Lassen Sie sich ein auf einen spannenden Einblick zu einem ungeordneten Gefühl und Löhner „Beziehungskisten“!

Das erste reguläre Öffnungswochenende des Museums wäre nach der üblichen Winterpause der 20./21. März. Falls dies aufgrund der Corona-Schutzverordnungen noch nicht möglich sein sollte, wird die Ausstellung zum Teil virtuell erlebbar gemacht. Aktuelle Informationen gibt es immer unter www.heimatmuseum-loehne.de

 

Zuerst erschienen in: HF-Magazin. Heimatkundliche Beiträge aus dem Kreis Herford, Nr. 116, 18.03.2021, herausgegeben von der Neuen Westfälischen.

Link: https://www.kreisheimatverein.de/wissen/hf-magazin/

 

Kategorie: Aus anderen Sammlungen

Schlagworte: Museum · Sonja Voss