„mehr naß als trocken“. Aus der Wetterchronik eines münsterländer Bauernhofes

22.06.2021 Dorothee Jahnke

Am Herdfeuer des Hofes Schulze Epping in Horstmar war das Wetter ein Dauerthema. Foto: Familie Schulze Epping, privat.

Andreas Eiynck

 

In vielen bäuerlichen Chroniken und Tagebüchern finden sich Notizen über besondere Wetterereignisse, manchmal sogar systematische Aufzeichnungen über das Wetter. Meistens decken diese Wetterchroniken jedoch nur wenige Jahre oder Jahrzehnte ab. Eine Besonderheit ist daher die Chronik des Bauernhofes Schulze Epping in der Horstmarer Bauerschaft Niedern. Sie enthält im ersten Teil eine über viele Generationen reichende Familiengeschichte und im zweiten Teil jährliche Aufzeichnungen über das Wetter sowie besondere Begebenheiten auf dem Hof, in der Gemeinde und im Münsterland. Krieg und Frieden, Bischöfe, Päpste und Pastöre, Kaiser, Könige und Amtmänner, Missionen und Manöver, aber auch besondere Bauprojekte sind neben dem Wetter häufige Themen.

Da die Chronik über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren berichtet – die ältesten Angaben stammen aus dem späten 18. Jahrhundert, die jüngsten Eintragungen von 1905 – können die Aufzeichnungen nicht von einem einzigen Autor stammen, sondern wurden über mehrere Generationen zusammengetragen. Erster Verfasser war vermutlich Bernard Hermann Geuking (geb. 1747 in Südlohn), der 1770 durch Heirat auf den Hof kam und den Namen Schulze Epping annahm. Sein Sohn Bernhard Anton Schulze Epping (1777-1843) setzte die Aufzeichnungen fort. Der Enkel Bernhard Anton Joseph Schulze Epping (1822-1895) führte die Chronik mit jährlichen Angaben weiter. Nach seinem Tod wurden die Aufzeichnungen noch 10 Jahre weitergeführt, vermutlich von seinem Sohn. Die jährlichen Einträge nahmen nun einen erheblich größeren Umfang ein und enthielten auch genauere Angaben über die Landwirtschaft.

Da alle Einträge in einheitlicher Handschrift verfasst sind, kann die in einer Kladde überlieferte Fassung der Chronik nicht die ursprüngliche Schriftform sein. Die heutige Version, die auf dem Hof Schulze Epping verwahrt wird, entstand vermutlich in der Zeit um 1905 als Abschrift älterer Aufzeichnungen.

Die Wetterchronik beginnt mit einer Übersicht des Klimas im 19. Jahrhundert: „In diesem Jahrhundert sind die schönsten, wärmsten Sommer gewesen: 1811, 1815, 1822, wo im Januar schon Vögel sangen, Bäume blühten. 1826, 1834, 1835, 1849, 1846, 1849, wo am 7. Januar schon die Schwarzdrossel sang, 1852, 1857,1858 und 1859. 1862, 1868, 1874, 1875, 1881, 1884, 1899. Der schönste Herbst war 1897. 1818. Der heißeste Sommer 1826. Nasse Jahren: 1816, 1829, 1830, 1840, 1844, 1855, 1856, 1860, 1891 Nasses und unfruchtbares Jahr.“

Es folgt ein Rückblick auf besonders kalte Winter im 18. und 19. Jahrhundert: „Im vorigen Jahrhundert: Kalte Winter 1740, 1798, 99 sollen sehr kalt gewesen sein, besonders Weihnachten, den kollen Middewinter 1829 in 1830, 1822 und 1823 große Kälte, 1829 in 1830 viel Schnee, kalt. 1838 sehr kalt, auch 40, und 1844. 1845 sehr kalt mit viel Schnee, Ostern Thauwetter. 1870 und 1871 kalter Winter, 1890 in 1891 sehr kalter Winter, mit Schnee. Auch 1864 kalter Winter. Der Rußige Winter 1812“. Doch nach dem Winter kommt stets der Frühling. Dazu heißt es in einer Randnotiz: „1807 sehr kalt. Die schönsten Frühlinge, 1815, 1822, 1846, 1889. Der früheste Ostern war 1818 am 22. März, 1845 am 23. März, 1856 am 23. März. Der späteste Ostern 1886 am 25. April.“

1830 beginnen die fortlaufenden Aufzeichnungen unter „Witterungsanzeigen und sonstige Merkwürdigkeiten“. So heißt es zu 1830: „Sehr nass und kühl. Schlechte Ernte. Viel Schnee im Winter, dabei kalt. Mehrmals Überschwemmung. Schwester Anna zur h. Communion aufgenommen. Im Januar Bote Sommer bei der Kapelle erfroren.“

Besser war das Wetter im Jahr darauf: „1831 ausgezeichnet gutes Jahr, mehr warm als kalt. Gelinder Winter. Am 7. Januar sehr starkes Nordlicht. Franzosen Antwerpen erobert. Gregor XVI erwählt zum Papst. N.B.: 1831 Abendandacht wegen Cholera. In Horstmar eine neue Glocke erhalten wegen der alten Glocke welche geborsten und ausgesägt war.“

Die folgenden Jahre brachten keine besonderen Wetterereignisse, nur im Winter 1833 und 1836 gab es viel Sturm. Die Folgen des Sturmes wurden 1837 beseitigt: „Am 21. September wurde der Hahn wieder auf Thurm gebracht, der bei den Windsturm vom vorigen Jahre herunter geweht war, durch Hans Haumer.“ Ideal verlief das folgende Jahr: „1839 schöner warmer Sommer. Gelinder Winter.“

Die 1840er Jahre brachten mehrere nasskalte Sommer. Besondere Ernteausfälle gab es 1844: „1844 naßkalter Sommer. Nasser Herbst. Alle Früchte hatten gelitten. Kartoffeln Krankheit zum 1ten male. Kalter Winter.“ Dafür war 1847 ein „Ausgezeichnet gutes Jahr, gelinder Winter. Im August fielen die Kornpreise.“

Die traditionelle Landwirtschaft im Münsterland war in hohem Maße vom Wetter abhängig. Foto: Andreas Eiynck, privat.

Der Sommer 1853 war „mehr naß als trocken. Viel Schnee im Winter. Am 8. Mai Schnee. Schöner Herbst. Korn sehr theuer.“ Eine Wetterkapriole brachte 1855: „Naßkalter Sommer. Strenger Winter, mit viel Schnee. Am 13. Juni in Horstmar Hagelschlag.“

Dürrejahre gab es 1857 bis 1858: „1857 Sehr trocken warmer hitziger Sommer. Wassermangel. Ganz trocken gelinder Winter. In Juni schlug der Blitz zum 2ten male, im östlichen Giebel des Thurmes. Im August die Städte Vreden und Olfen abgebrannt. Auf Kirchhof eine neue Pumpe. 1858 Wieder ein warmer hitziger Sommer.“

Die folgenden Sommer brachten dann wieder viel Regen und Nässe. 1868 gab es ein besonderes Wetter: „Warmer Sommer. Ungemein frühe Zeit. Am 9ten Juli fingen wir am Roggen mähen, am 14. August alles Korn zu Hause. Gelinder Winter. Heftige Stürme, am 7. und 28. December.“

Es folgten einige nasskalte Sommer und strenge Winter. Erst Anfang der 1870er-Jahre gab es erneut warme, zum Teil trockene Sommer und ab 1878 waren die Sommer wieder regnerisch oder jedenfalls „mehr naß als trocken“.

Turbulent verlief das Wetter 1881: „Warmer hitziger Sommer mit vielen Gewittern ohne Regen bis Juli, darnach viel Regen. Nasser Herbst, kalter Winter. Viel Sturm 14. October 18. December.“

Ende gut, alles gut, hieß es 1887: „Sommer warm, viele Gewitter. Herbst meist naß und kalt. November trocken. Gelinder Winter mehrmals Sturm. Gutes Kartoffeln Jahr.“

Als „Wonnejahr“ blieb 1889 in Erinnerung: „Wunderschöner Mai, warm sowohl bei Tage als des Nachts. Die ältesten Leute erinnerten sich nicht einen so schönen Mai erlebt zu haben. Im Sommer und Herbst viel Regen, November schön. Winter gelinde.“

Das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts verlief nicht so positiv. 1890: „Naßkalter Sommer September und October schön. Aber am 23. November Großes Wasser. Am 25. Nov. auf einmal Schnee, und sehr strenger Winter. 19. und 30. December die kältesten Tage, 16 bis 17 Grad Kälte. Im Herbst Schneckenfraß“. Zum Folgejahr 1891 heißt es: „Unfruchtbares Jahr, im Sommer viele heftige, schreckliche Gewitter, Wolkenbruch. Überschwemmung besonders am 26. Juni. Am 1. Juli in Everwinkel, Wahrendorf, alles verhagelt. Der Winter 90-91 sehr kalt mit Schnee, am 25. Januar Thauwetter mit einer großen Wasserfluth.“ Dafür lautet der Eintrag zu 1892: „Schöner Herbst. Gelinder Winter. Kartoffeln vorzüglich geraten. Raupenfraß am Klee“ und zu 1893: „Kartoffeln wieder gut geraten.“ Auch 1895 freuten sich die Bauern: „Schöner warmer Sommer bis im October von da an naß und kalt, sehr viel Heu und Klee.“

Ganz anders verlief das Jahr 1896: „Sommer, bis zum halben August warm und trocken. Von da an bis im December fast alle Tage regnen, die ältesten Leute erinnerten sich nicht so einen nassen Herbst. Bedeutender Schneckenfraß.“ Wechselhafter war das folgende Jahr: „1897 sehr viel Schnee im Winter. Am 2ten März sehr starkes Gewitter. Sonst immer kalt. Mai bis zum 15. kalt, Regnerisch. Sommer warm, mit viele Gewitter. Schöner warmer Herbst, besonders im October Kartoffeln gut. Die Ernte mit dem Korn mittelmäßig, Wenig Weitzen und Roggen, wenig Stroh. Auch im Novemb. schönes Sommerwetter. December abwechselnd Sturm und Regen am 8. Sonst schönes Winterwetter mit gelinden Frost.“

Das Jahr 1898 brachte zunächst „naßkaltes Wetter, Im März sehr viele Nebel, April, Mai, Juni, Juli immer naßkalte Witterung. Aber vom 10. August bis im September sehr warm, tropische Hitze. Das Korn kam spät, aber schön zu Hause. Gutes Herbstwetter. Die Ernte brachte viel Stroh, aber Korn mittelmäßig, desgleichen auch die Kartoffeln nicht besonders.“ Auch 1899 verzeichnete man im „August tropische Hitze am 4., 5. und 6. bis zum 6. September, darnach kühl mit Regen. Rasche Ernte, jedoch kam Sommerkorn, Felderbsen, Gerste wegen Regen spät zu Hause. Schönes Herbstwetter im October und November. Am 11. November Abends 8 Uhr sehr starkes Gewitter. Die Ernte sehr viel Stroh, Heu, Kartoffeln, Alles gut. Ziemlich starker Frost mit Schnee.“

Nach einem ergiebigen Landregen standen die Wege im Münsterland an manchen Stellen tagelang unter Wasser. Foto: Andreas Eiynck, privat.

Ab dem Jahr 1900 werden die Notizen zu Wetter und Landwirtschaft umfangreicher und können hier nur noch beispielhaft wiedergegeben werden: „1900 Naßkalter Winter mit Abwechslung, Frostwetter. Am Charfreitag 2 starke Gewitter. Am 19. Mai Schnee und Regen. 14 Tage im Mai sehr kalt. Sommer abwechselnd warm und kalt. Im Juli und August sehr warm. Erster Schnitt Heu sehr verdorben durch viel Regen. Zweiter Schnitt gut. Zur Erntezeit Witterung sehr veränderlich, langsame Ernte. Winterkorn und Sommerkorn ziemlich gut geraten. Schöner Herbst. Am 14. October Gewitter. Gelinder Winter bis zum 1. Januar. Silvester Tag Schnee und Regen, darauf wurde es sehr kalt.“

Insgesamt vermittelt die Chronik den Eindruck, dass es im Münsterland früher „mehr naß als trocken“ war. Einzelne heiße und trockene Sommer gab es aber auch schon im 19. Jahrhundert, also weit vor dem Klimawandel. Die häufigen Hinweise auf die regenreiche Witterung könnten auch damit zusammenhängen, dass der lehmige Boden und an vielen Stellen nässestauende Untergrund im Raum Horstmar für die Landwirtschaft nicht immer von Vorteil war.

Für die Möglichkeit zur Einsichtnahme und Auswertung der Chronik danke ich Frau Maria Schulze Epping (1927-2016) in Horstmar.
Siehe auch: Aufzeichnungen um 1900 von Bernhard Schulze Epping, genannt Hessling. In: Heinz Herdt: Horstmar von A-Z. Wissenswertes von Gestern und Heute. Horstmar 2014, S. 29-30.

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